Ariodante

von Georg Friedrich Händel
Dramma per musica in drei Akten
Libretto nach Antonio Salvi
in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
„Wir alle spielen Theater“, fand der Soziologe Erving Goffman und analysierte anhand dramatischer Strukturen das alltägliche Ringen um die beste Performance. Und weil Rollenspiel und Verstellung mit allen Konsequenzen dazugehören, ist die Bühne ein gutes Erkenntnismittel im Dickicht von „echt“ vs. „vorgespielt“. Händels Oper über den Feldherrn Ariodante, dessen Liebe durch Täuschungsmanöver gefährlich ins Wanken gerät, wird bei Wieler/Morabito zur Reflexion über das Wesen des Schauspielens. Wie in der Premiere stehen Diana Haller, Ana Durlovski, Josefin Feiler und Matthew Brook wieder im Boxring, der die Welt bedeutet, und werden mit stimmlicher Virtuosität begeistern – am Pult Händel­-Spezialist Christopher Moulds.

Ort
Opernhaus
Dauer
1. Teil: ca. 1 h 35 min
Pause: ca. 30 min
2. Teil: ca. 1 h 35 min
Uraufführung
1735 in London

Premiere dieser Produktion
2017
Altersempfehlung
ab Klasse 10
Handlung
1. TEIL
 
Ouvertüre
Einzug der Artisten
Ginevra, Prinzessin von Schottland (Sopran), schmückt sich für ihren Geliebten Ariodante (Mezzosopran). Die Avancen von Polinesso (Altus) weist sie zurück. Polinesso will Dalinda, Ginevras Kammerfrau (Sopran), die in ihn verliebt ist, benutzen, um sich an Ginevra und Ariodante zu rächen. Ginevras Vater, der König von Schottland (Bass), erklärt Ariodante zu seinem künftigen Schwiegersohn und Thronfolger. Am Vorabend der geplanten Hochzeit von Ginevra und Ariodante wird Verlobung gefeiert. Polinesso verlangt von Dalinda, sich Ginevras Kleider anzulegen, angeblich, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich in seiner Phantasie an der Prinzessin rächen und seine vorgebliche Leidenschaft für die Prinzessin so überwinden zu können. Dalinda willigt ein. Die Annäherungsversuche von Ariodantes Bruder Lurcanio (Tenor) weist Dalinda zurück.
Erstes Divertissement
Schamlosigkeit der Schauspielerin
Polinesso provoziert Ariodante mit der Behauptung, Ginevra wäre mit ihm intim. Aus dem Verborgenen beobachten Ariodante und Lurcanio wie die als Ginevra verkleidete Dalinda Polinesso empfängt. Ariodante hält Ginevras Untreue für bewiesen und will sich aus Verzweiflung das Leben nehmen. Polinesso hat indessen seine ganze Wut an Ginevras Kleidern abreagiert.

Pause
2. TEIL
Der Höfling Odoardo (Tenor) überbringt dem König die Nachricht von Ariodantes Tod. Lurcanio klagt Ginevra öffentlich der Untreue an und gibt ihr die Schuld am Selbstmord seines Bruders. Dem schottischen Gesetz gemäß muss Ginevra sterben, es sei denn ein Verteidiger ihrer Ehre wäre bereit, sie im Gottesgericht gegen Lurcanios Anklage zu verteidigen. Der König verstößt seine vermeintlich unkeusche Tochter. Ginevra ist dem Wahnsinn nahe.
Zweites Divertissement
Nur zwei Jahre Theater und alles ist zerrüttet.
Ariodante hat seinen Selbstmordversuch überlebt. Er trifft auf Dalinda, die Polinesso als Mitwisserin seiner Intrige beseitigen wollte. Sie bezeugt Ginevras Unschuld und gesteht ihm ihre Rolle in Polinessos Spiel. Polinesso erklärt, Ginevras Ehre gegen Lurcanio verteidigen zu wollen. Mit dem Sieg will er die Hand der Prinzessin und die Thronfolge erringen. Die eingekerkerte Ginevra weigert sich, das Angebot des verhassten Polinesso anzunehmen, doch ihr Vater besteht darauf. Im Kampf um Ginevras Ehre erschlägt Lurcanio Polinesso. Der König, der alles verloren hat, will um der Ehre seiner Tochter willen selbst in den Ring steigen. Da kehrt der totgeglaubte Ariodante zurück und spricht Ginevra von aller Schuld frei. Auf seine Fürbitte hin wird Dalinda verziehen. Dalinda erhört Lurcanios Liebe. Ginevra wird aus dem Kerker erlöst.
Drittes Divertissement
Ungleichheit der Vermögen
„Kesselnder Applaus mit Bravo-Rufen.“

„Händel-Oper im Boxring: Stuttgart zeigt sportlichen ‚Ariodante‘“ von Ulf Mauder
dpa (Süddeutsche Zeitung Online)
05.03.2017
„Stets vorbildlich […] ist der Ensemblegeist am Stuttgarter Haus. Bei Ariodante jedoch scheinen die Klänge und Konstruktionen noch mehr miteinander zu verschmelzen als üblich: Auf breit barockem Fundament, transparent in den Höhen und nie ermüdend in den Koloraturen entfalten sich […] Ana Durlovski (Ginevra) und Diana Haller (Ariodante), auch schauspielerisch Glücksfälle, jede für sich.“

„Läuft bei denen“ von Mirko Weber
Stuttgarter Zeitung
07.03.2017
„Wenn Jossi Wieler und Sergio Morabito gemeinsam Regie führen, darf man Großes erwarten. Und tatsächlich ist Händels Oper Ariodante eine durchdachte, komplexe Inszenierung geworden.“

Über Diana Haller: „Eine derartige Kombination von Farbenreichtum und Koloraturensicherheit ist selten, und auch darstellerisch legt sie beständig zu: dieser Abend ist vor allem ihr Triumph.“

„Kleider machen Leute“ von Frank Armbruster
Stuttgarter Nachrichten
06.03.2017
„[Diana Haller singt ‚Scherza infida‘, die zentrale Arie der Oper] hinreißend voluminös und doch mit feinen Nuancen im wehmütigen, tieftrauernden Grundcharakter dieser Arie.“

"Schein und Sein" von Klaus Kalschmid
Die deutsche Bühne Online
06.03.2017
„Feinsinniger und klüger kann man an eine barocke Oper kaum heran gehen. […] Es darf gelacht und durchaus auch gedacht werden, in diesem Schaukampf der Eitelkeiten.“

„Äußerst klangschön und mitfühlend agieren hier die Musiker des Staatsorchesters im Graben und geradezu Brillantes, darstellerisch und stimmlich, leisten die Sänger auf der Bühne.“

„Schaukampf der Eitelkeiten“ von Monika Kursawe
SWR2 "Kulturthema"
06.03.2017
„Meisterlich tritt das Stuttgarter Ensemble auf. Unfassbar, wie Diana Haller als Ariodante die Koloraturen herausschleudert. Minutenlange Kettenreaktionen der Liebe, der Wut, der Verzweiflung. Ana Durlovski ist nicht weniger virtuos die emotional verschattete Ginevra: das eigentliche Opfer, das noch geschlagen im Boxring  liegt, wenn die anderen ihre Barockkostüme angezogen haben und tänzeln, als beginne jetzt erst der eigentliche Opernspaß.“

„Händel im Boxring“ von Jürgen Kanold
Südwest Presse
07.03.2017
"Ein überragendes Rollendebüt in jeder Beziehung gibt die in Stuttgart ‚entdeckte‘, mittlerweile europaweit gefragte Diana Haller als sportlicher Rächer Ariodante. Ihr Mezzosopran betört mit phänomenalen Farbnuancen und lässt seine brillanten Koloraturen wie auf Flügeln des Gesangs dahinschweben.“

„Händels ‚Ariodante‘ an der Staatsoper Stuttgart“ von Werner M. Grimmel
Schwäbische Zeitung
06.03.2017
„Wer denkt, alles wäre schon dagewesen und gerade auch die Metaebene der Gaukler, die uns eine Oper aufführen, könnte zu nichts Spektakulärem mehr führen, darf jetzt in Stuttgart über den jüngsten Coup des Intendanten Jossi Wieler und seines Dramaturgen Sergio Morabito staunen.“

„Zum szenischen (und konzeptionellen!) kommt der musikalische Triumph: Man hört unter anderem Ana Durlovski als honigsüße Ginevra, Diana Haller als wahrlich furiosen, unermüdlich dahinrasenden Ariodante, Josefin Feiler tirilliert als Hofdame (unverschämte Göre) Dalinda – ein unentscheidbarer, sensationeller Wettstreit unter drei unterschiedlich timbrierten Frauenstimmen.“
 
„Barock im Ring“ von Judith von Sternburg
Frankfurter Rundschau
07.03.2017
Diana Haller [...] bewältigt die riesige Ariodante-Partie bravourös mit dem dunklen Glanz ihrer Stimme und ehrlicher Empathie. Wie überhaupt das Stuttgarter Ensemble [...] mit entwaffnender musikalischer Könner- und Leidenschaft antritt.“

„Lauter Schamlosigkeiten“ von Wolfgang Schreiber
Süddeutsche Zeitung
12.03.2017
„Das Stuttgarter Ensemble [hatte] einen großen Tag – und [bestätigte] wieder, dass Bühnenpräsenz und vokale Effizienz ebenso zusammengehören wie Charakter und Perfektion. Diana Haller bringt für den Ariodante einen geläufigen wie klangschönen Mezzosopran mit und stattet die Partie mit nachdrücklichem Espressivo aus. Ana Durlovski hat zur Koloratur-Gewandtheit ihres Soprans noch an Ausdruckskraft gewonnen, vermag der am Boden liegenden Ginevra schmerzliche Intensität zu geben.“ 

„Die Prinzessin trägt die Hosen des Obelix“ von Gerhard R. Koch
Frankfurter Allgemeine Zeitung
07.03.2017
„[Eine] abgründige Show, ungeheuer gedankenreich, in detaillierter Fülle und Stimmigkeit inszeniert als Theaterrealität, als zeichenhafter Modus der Darstellung.“

„Beachtlicher Gesang von einem schauspielerisch durchweg formidablen Ensemble: Diana Haller zieht in der Titelrolle souverän das virtuose Koloraturenregister […]. Ana Durlovski meistert mit großer technischer und stilistischer Sicherheit die Ginevra-Partie […]. Leuchtend und schlichtweg brillant Josefin Feilers Dalinda, von der Regie befreit aus der Dummchen-Rolle zur erotisch Selbstbewussten.“

„Aus dem Freiraum in die geschlossene Anstalt“ von Martin Mezger
Cannstatter Zeitung
07.03.2017