Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici

von Pietro Mascagni / Salvatore Sciarrino
Cavalleria Rusticana (Sizilianische Bauernehre)
Oper in einem Akt
Libretto von Giovanni Targioni-Tozetti und Guido Menasci
Uraufführung 1890 in Rom
Fassung für Kammerorchester von Sebastian Schwab (2020)

Luci mie traditrici (Meine trügerischen Augen)
Oper in zwei Akten
Libretto vom Komponisten
Uraufführung 1998 in Schwetzingen


in italienischer Sprache

Darf man den eigenen Sinnen trauen? Oft genügen Andeutungen und Gerüchte, um dem Herzen Zweifel einzupflanzen, die zur mörderischen Gewissheit werden können. Santuzza ahnt, dass Turridu sie wegen der Frau des arglosen Alfio sitzenlässt. An einem einzigen Vormittag führt diese Ahnung zur Gewalttat. Nicht mit Vergebung sondern einem Opfer endet dieser sizilianische Ostersonntag, denn Männer wie Frauen, Mütter wie Söhne folgen hier einem gesellschaftlichen Codex, der seit Generationen festschreibt, was Treue und Ehre bedeuten. Sind vielleicht sogar die von Mascagni überwältigend in Szene gesetzten Gefühle der Protagonist*innen nur Produkte sozialer Codierungen?

Nach der Souveränität des fühlenden Subjekts fragt einhundert Jahre später auch Salvatore Sciarrino in seiner Oper Luci mie traditrici – Meine trügerischen Augen. Mit einem ganz auf Reduktion setzenden musikalischen Idiom erzählt auch er von obsessiver Eifersucht. Dass einen der Augenschein trügen kann, ahnen hier ein Graf, seine Gräfin, ihr voyeuristischer Diener und ein Besucher, der eine andere Art zu lieben verspricht. Die Angst, sich in den eigenen Sinnen und im geliebten Gegenüber zu täuschen, führt zum Doppelmord. Ob tatsächlich ein Treuebruch stattfindet, bleibt verborgen. Die Gewissheit der Gefühle zersetzt sich; ebenso das musikalische Gewebe: Das Sprechen über die Liebe zerfällt in erstickte Worte, Geflüster, Herzklopfen und Atemzüge, und weicht schließlich der tosenden Stille der Einsamkeit.

Barbara Freys Inszenierung dieses Doppelabends wäre eigentlich für die Spielzeit 2019/20 geplant gewesen. Nun kommen die beiden Opern am 11. Oktober 2020 zur Premiere.
Ort
Opernhaus
Dauer
1. Teil: 1h 15 min
Pause: 20-25 min
2. Teil: 1 h 15 min

Premiere dieser Produktion
11. Oktober 2020
Altersempfehlung
ab Klasse 10
Das Stück in Kürze
Cavalleria rusticana
Santuzza ahnt, dass Turridu, der ihr die Heirat versprochen hat, sie mit seiner einstigen Liebe Lola betrügt. Verlässt er Santuzza, bleibt sie ehrlos zurück und wird von der Dorfgemeinschaft verstoßen. Santuzzas Angst zieht in Mascagnis Einakter Cavalleria rusticana eine mörderische Gewalttat nach sich – und das an einem einzigen Vormittag: Da sich Turridu ihrem Flehen konsequent entzieht, verrät Santuzza dem Ehemann Lolas den Ehebruch. Statt Vergebung und Erlösung steht am Ende des Ostersonntags ein Blutopfer, das einem Jahrhunderte alten Gesellschaftskodex gehorcht.

Luci mie traditrici
Liebe und Gewalt verschmelzen auch in Sciarrinos Oper Luci mie traditrici zu einer fatalen Einheit. Das plötzliche Auftauchen eines Gastes stellt die Liebe zwischen Graf und Gräfin Malaspina in Frage. Als der Diener des Grafen – auch er ein heimlicher Verehrer der Gräfin – seinem Herrn die Untreue der Gräfin meldet, sieht dieser sich gezwungen, zuerst den Eindringling und anschließend seine über alles geliebte Frau qualvoll zu ermorden. Angelehnt an die Biographie des Renaissancekomponisten Carlo Gesualdo Fürst von Venosa, zeichnet Salvatore Sciarrino am Ende des 20. Jahrhunderts ein Bild des Menschen, der die Ohnmacht gegenüber seinen Gefühlen nur mit Gewalt beantworten kann.
Handlung
Cavalleria rusticana

Turiddu und Lola hatten sich einst Treue geschworen. Doch als er zu den Soldaten ging, vermählte sie sich mit dem Kutscher Alfio. Nach seiner Rückkehr fand Turiddu Trost bei Santuzza. Er versprach ihr die Ehe. Dann aber flammte die Liebe zwischen Lola und Turiddu wieder auf.

Im Morgengrauen des Ostersonntags singt Turiddu ein Lied von Lolas Schönheit und der Furchtlosigkeit seiner Liebe, bedeute sie auch den Tod.

Santuzza sucht Turiddus Mutter Lucia auf, da Turiddu sich nicht mehr bei ihr blicken lässt. Lucia beantwortet Santuzzas Fragen nach ihrem Sohn unwirsch: Er sei zu Geschäften in Francofonte. Als Santuzza erwidert, er sei nachts im Ort gesehen worden, wird Lucia hellhörig. Die Ankunft des Kutschers Alfio verhindert ein vertrauliches Gespräch. Alfio sonnt sich in seinem Glück: Er liebt seinen Beruf und hat mit Lola eine liebevolle, treue Frau daheim.

Während in der Kirche die Auferstehung Christi gefeiert wird, offenbart Santuzza Lucia ihre Verzweiflung: Lola und Turiddu würden sich noch immer lieben – trotz Lolas Ehe mit Alfio. Santuzza fürchtet, von Turiddu verlassen zu werden und ehrlos zurückzubleiben. Lucia bittet die Gottesmutter um Gnade und lässt Santuzza alleine.

Turiddu läuft Santuzza in die Arme. Sie stellt ihn zur Rede, aber er wimmelt sie ab. In diesem Moment taucht Lola auf, mit einem Lied auf den Lippen. Sie ist auf dem Weg zur Messe und gibt sich erstaunt, dass die beiden nicht in der Kirche sind. Santuzza weist darauf hin, dass die Kirche kein Ort für Sünder sei. Kaum ist Lola fort, eskaliert der Streit. Turiddu wirft Santuzza krankhafte Eifersucht vor. Ihr verzweifeltes Insistieren und Flehen ist ihm lästig. Er stößt sie von sich und flieht. Santuzza schickt ihm einen bitteren Fluch hinterher: A te la mala Pasqua! Als ihr Alfio nun über den Weg läuft, verrät sie ihm Lolas Ehebruch. Alfio rast vor Wut, seine Liebe verwandelt sich in Hass und er schwört Rache. Erschrocken über sich selbst, blickt Santuzza auf die Folgen ihrer Tat.

Die Messe ist zu Ende. Männer und Frauen eilen nach Hause. Turiddu fängt Lola ab, die auf der Suche nach Alfio ist. Er nötigt sie, mit ihm auf die Liebe und das Glück zu trinken. Alfio kommt dazu. Den von Turiddu angebotenen Wein schlägt er aus. Ohne große Worte verlangt er Genugtuung. Die Frauen verlassen den Ort des Geschehens. Turiddu bekennt sich zu seiner Schuld und der Verantwortung gegenüber Santuzza. Die Aufforderung zum Duell nimmt er an.

Von Todesfurcht erfüllt verabschiedet sich Turiddu von seiner Mutter, bittet sie um ihren Segen und nimmt ihr das Versprechen ab, für Santuzza zu sorgen, sollte er nicht wiederkehren. Er geht seiner Verabredung entgegen. Ein Schrei verkündet seinen Tod.
Luci mie traditrici

Erster Akt
Eine Stimme von weither besingt die Vergänglichkeit entzückender Schönheit
und Liebe. Der Gesang bricht ab.

Im Garten, morgens
Graf Malaspina zeigt der Gräfin eine Rose und möchte sie pflücken. Die Gräfin will ihm zuvorkommen. Der Graf fürchtet, sie könnte sich an den Dornen stechen. Sie pflückt die Rose und sticht sich. Der Graf verflucht die Rose, aber die Gräfin versichert, dass sie ihr Blut wert war. Vom Anblick des Blutes fällt der Graf in Ohnmacht.

Der Graf kommt wieder zu sich. Die Gräfin staunt über die Furchtsamkeit ihres Mannes. Für sie bedeutet Liebe Wagemut. Für ihn bedeutet sie Furcht. Sie beteuern sich ewige Liebe. Der Diener des Grafen beobachtet die Szene. Für ihn, der die Gräfin heimlich anbetet, bedeutet Liebe Leiden.

Im Garten, mittags
Ein Gast taucht auf. Augenblicklich sind Gast und Gräfin von Liebe überwältigt. Beide zweifeln an der Glaubwürdigkeit ihrer Sinne und fürchten die Gewalt ihrer Gefühle. Dennoch geben sie sich ihrem Entzücken hin. Gast und Gräfin gestehen einander ihre Liebe und verabreden sich
heimlich. Der Diener, der die beiden beobachtet, ist in Eifersucht entbrannt.

Innen, mittags
Der Graf kann nicht glauben, was der Diener ihm berichtet, und wünscht sich, dieser hätte geschwiegen. Nun sieht er sich gezwungen, den Gast und seine über alles geliebte Frau umzubringen. Der Diener versichert, aus Pflichtgefühl gehandelt zu haben.

Zweiter Akt
Innen, in der Dämmerung
Die Gräfin möchte über ihre Schuld sprechen, der Graf aber befragt sie über ihre Liebe zu ihm. Er will ihr vergeben. Beide erneuern ihren Liebes- und Treueschwur, der in der folgenden Nacht im Liebesakt besiegelt werden soll.

Innen, abends
Die Gräfin ist mit einer Stickerei beschäftigt. Der Graf bittet sie, dem Motiv der Myrte eine Zypresse hinzuzufügen. In Rätseln spricht er von der Endlichkeit der Zeit und macht Andeutungen des Todes. Die Gräfin entkleidet sich für die Nacht.

Im Zimmer, nachts
Im Schlafzimmer hat der Graf für die Gräfin ein Spektakel vorbereitet. Mit Fackeln führt er sie zum Bett wie zu einem Begräbnis. Die Gräfin, zwischen Liebes- und Todessehnsucht schwankend, zeigt sich bereit, sein Leid zu stillen. Dennoch zögert sie, den Vorhang des Bettes zurückzuziehen, aber der Graf macht ihr Mut. Er zwingt sie zum Anblick ihres ermordeten Geliebten, ersticht sie und bleibt zurück in ewiger Qual.

Audio-Einführung

Audio-Einführung: Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici
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Trailer

Fotogalerie

„Und doch ist diese erstmalige Verknüpfung der beiden stilistisch so extrem unterschiedlichen Kurzopern ein höchst reizvolles, spannendes, die Zuhörer forderndes Experiment.“
Ludwigsburger Kreiszeitung
Dietholf Zerweck, 13.10.2020
„Endlich wieder eine Stuttgarter Opernpremiere, live und abendfüllend, mit den so lange entbehrten Interaktionen zwischen Bühne und Publikum, mit gebührendem Abstand und manch anderer coronabedingten Begrenzungen und Beschränkungen zwar, aber doch voller Leidenschaft und Intensität, berührend und eindringlich.“
Der Klassikkritiker
Jörg Riedlbauer, 12.10.2020
„Dimitris Tiliakos als eifersüchtiger Alfio und Ida Ränzlöv als seine Santuzzas Eifersucht nicht gewachsene Gattin Lola komplettieren in imponierender Weise das insgesamt famose Sängerensemble.“
Online Merker
Alexander Walther, 12.10.2020
„Christian Miedl (Graf Malaspina) und Rachael Wilson als seine Gattin, Ida Ränzlöv (Gast und bei Mascagni auch Lola) sowie Elmar Gilbertsson als Diener machen ihre Sache ausgezeichnet.“
KlassikInfo.de
Klaus Kalchschmid, 11.10.2020
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Preview: Cavalleria rusicana / Luci mie traditrici