
zurück
26.09.2025 Gemeinsam einsam
Gemeinsam einsam
Larissa Sirah Herden singt Nina Simone, Lars Eidinger Songs von Frank Sinatra. Beides wird verwoben zu einer Geschichte über ein Paar, seine Trennung, Empanzipation und Einsamkeit. Ivo van Hoves „I Did It My Way“ feiert nun Premiere im Opernhaus. Ein Interview mit den beiden Darsteller*innen.
Herr Eidinger, wie gut können Sie als Schauspieler singen?
Eidinger: In der Schauspielerei ist es absurd, von gut oder schlecht zu sprechen. Im besten Fall wird in der Kunst nicht in diesen Kriterien unterschieden. Stattdessen geht es um Glaubwürdigkeit, um Empathie und Identifikation. Ich befürchte, dass es beim Gesang etwas anders ist, weil es da einfach Töne gibt, die man treffen oder nicht treffen kann.
Frau Herden, würden Sie als Sängerin das unterschreiben?
Herden: Natürlich sollte man nicht schief singen. Es geht wie in der Schauspielerei um die Frage, ob sich die Menschen mit dir verbinden können. Ob sie fühlen, was du singst. Ob es sie berührt, wenn du eine Geschichte in Tönen erzählst.
Wie haben Sie als ungleiches Paar sich denn auf dieses Projekt vorbereitet?
Eidinger: Wir haben uns beide getrennt von einander auf die Musik vorbereitet, und dann gab es den Moment, an dem wir gemeinsam am Klavier standen. Als Larissa angefangen hat zu singen, dachte ich: Okay, das ist noch einmal eine ganz andere Dimension, ein anderer Reichtum in den Gestaltungsmöglichkeiten, eine sehr facettenreiche Stimme, heiser, gebrochen, virtuos, mit einer großen Range. Das sind Kriterien, bei denen kann ich nicht mithalten. Meine Hoffnung ist, dass sich dieses vermeintliche Defizit in eine Qualität verkehrt.
Herden: Ich habe das Gefühl, dass wir uns im Kontext des Stückes perfekt ergänzen. Die Dynamik ist sehr authentisch und unprätentiös.
Eidinger: Mich interessiert ohnehin viel mehr, was zwischen mir und dem Publikum passiert, in der Interaktion. Deshalb finde ich den Begriff „Unterhaltung“ auch so treffend, weil es um Kommunikation geht. Ich habe mal eine Kinotour mit einem Film gemacht, und die Leute haben in jeder Stadt, in jedem Kino anders reagiert. Im Theater würde ich das auf mich beziehen und unsere Leistung als Ensemble. Beim Film handelt es sich aber um eine Konserve. Es ist immer derselbe Film, auf den das Publikum jedes Mal anders reagiert. Es liegt nicht immer an den Darstellenden …
Herden: … sondern an der Stadt, ob es Montag oder Dienstag ist, ob du in München oder Wanne-Eickel bist.
Herden: Ich habe das Gefühl, dass wir uns im Kontext des Stückes perfekt ergänzen. Die Dynamik ist sehr authentisch und unprätentiös.
Eidinger: Mich interessiert ohnehin viel mehr, was zwischen mir und dem Publikum passiert, in der Interaktion. Deshalb finde ich den Begriff „Unterhaltung“ auch so treffend, weil es um Kommunikation geht. Ich habe mal eine Kinotour mit einem Film gemacht, und die Leute haben in jeder Stadt, in jedem Kino anders reagiert. Im Theater würde ich das auf mich beziehen und unsere Leistung als Ensemble. Beim Film handelt es sich aber um eine Konserve. Es ist immer derselbe Film, auf den das Publikum jedes Mal anders reagiert. Es liegt nicht immer an den Darstellenden …
Herden: … sondern an der Stadt, ob es Montag oder Dienstag ist, ob du in München oder Wanne-Eickel bist.
Mögen Sie die Liveperformance deshalb lieber, weil Sie unmittelbares Feedback bekommen?
Eidinger: Der Trumpf des Theaters ist das Gegenwärtige. Wenn jemand im Saal nach seinem Handy greift, um zu fotografieren, unterbreche ich manchmal, um dem Publikum ein Bewusstsein für den Effekt zu geben, den das auf die Veranstaltung hat. Im Theater geht es ums Loslassen, plötzlich soll etwas festgehalten werden. Der Raum, in dem Ruhe herrscht, wird von Reizen von außen bedroht. Das Theater ist einer der wenigen Orte, an denen man ein Bewusstsein dafür erlangen kann, was es heißt, da zu sein sowohl für die, die schauen, als auch für die, die spielen. Wenn jemand sein Smartphone rausholt, um ein Foto zu machen, fällt man aus dem Moment, weil sich die Aufnahme auf etwas Zukünftiges bezieht. Deshalb reagiere ich unmittelbar darauf.
Herden: Das kannst du bei unserem Stück nicht machen, weil du ja nicht nur deinen Text, sondern auch das Orchester sowie die Choreographie unterbrechen würdest und nicht einfach wieder ansetzen könntest. Obwohl, wer weiß, vielleicht wäre das spannend …
Herden: Das kannst du bei unserem Stück nicht machen, weil du ja nicht nur deinen Text, sondern auch das Orchester sowie die Choreographie unterbrechen würdest und nicht einfach wieder ansetzen könntest. Obwohl, wer weiß, vielleicht wäre das spannend …
Welchen Stellenwert spielt Musik in Ihrem Leben?
Eidinger: Sie begleitet mich mein Leben lang, mehr als die Schauspielerei. Ich bin in den Achtzigerjahren mit Popmusik groß geworden. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht Musik höre. In der Oper oder im Musical setzt sie meist in dem Moment ein, in dem Sprache versagt oder an ihre Grenzen kommt. Es eröffnet sich eine vollkommen neue Dimension der Ausdrucksmöglichkeiten.
Herden: Die Musik ist so nah am Selbst, sie entsteht oder entspringt ja gewissermaßen aus dem Innersten. Da ist nichts dazwischen. Man ist direkt verbunden mit der Emotion.
Eidinger: Über Musik kann man sich noch mehr zu erkennen geben. Es gibt nur zwei gesprochene Sätze in I Did It My Way: „Bye, bye“ ist interessant, weil es die Spiegelung eines Wortes ist, „See you“ finde ich noch interessanter, weil in der Bibel das Erkennen ein Synonym für Liebe ist. „Sie erkannten einander und wurden ein Fleisch.“ So verstehe ich auch unsere Geschichte, ohne zu viel zu verraten. Am Ende stehen sich Frau und Mann gegenüber und haben sich erkannt. Sie haben sich gefunden, indem sie sich verloren haben. Sie sind sich durch die Entfernung Nähergekommen.
Herden: Die Musik ist so nah am Selbst, sie entsteht oder entspringt ja gewissermaßen aus dem Innersten. Da ist nichts dazwischen. Man ist direkt verbunden mit der Emotion.
Eidinger: Über Musik kann man sich noch mehr zu erkennen geben. Es gibt nur zwei gesprochene Sätze in I Did It My Way: „Bye, bye“ ist interessant, weil es die Spiegelung eines Wortes ist, „See you“ finde ich noch interessanter, weil in der Bibel das Erkennen ein Synonym für Liebe ist. „Sie erkannten einander und wurden ein Fleisch.“ So verstehe ich auch unsere Geschichte, ohne zu viel zu verraten. Am Ende stehen sich Frau und Mann gegenüber und haben sich erkannt. Sie haben sich gefunden, indem sie sich verloren haben. Sie sind sich durch die Entfernung Nähergekommen.
„I Did It My Way“ ist inspiriert von der Musik Nina Simones und Frank Sinatras. Es ist die Emanzipationsgeschichte eines Paares, das aneinander vorbeilebt, bis die Frau ihren Mann verlässt – erst dann erkennen sich beide selbst. Was verbindet Sie damit?
Herden: Vieles. Aus meiner deutschen Biografie heraus, dem Aufwachsen als nicht weiße Person in einem hauptsächlich weißen Land, kann ich den inneren Kampf und die Suche nach Identität meiner Figur gut nachfühlen. Manchmal bin ich davon ein wenig überwältigt. Auch wenn Nina Simone in ihrer Musik natürlich von einer ganz anderen Zeit in einem anderen Land singt, ist mir der Kern der Gefühle vertraut. Das macht diese Erfahrung hier für mich sehr persönlich und emotional.
Im Stück geht es ums Verlassenwerden und um Einsamkeit. Ist Letzteres eines der großen Themen unserer Zeit?
Eidinger: Vielleicht sind sie im Moment der Trennung mehr zusammen als davor. Die Vereinsamung in der Gemeinschaft ist ein gesellschaftliches Phänomen unserer Zeit. Das Gemeinsam-einsam-Sein als paradoxes Bild.
Herden: Auch weil ein und derselbe Raum für einen weißen Mann und eine schwarze Frau im Vergleich völlig andere Bedeutungen in sich tragen kann. Im Stück erkennt man das besonders gut, wenn seine Wahrnehmung von Amerika im direkten Vergleich auf ihre trifft. Meine Figur möchte und muss sich entdecken sowie die verschiedenen Schichten ihrer Identität. Deshalb muss sie sich aus dem ihr Bekannten, ihr Vertrauten lösen, weil sie sich damit nicht mehr identifiziert.
Eidinger: Die Protagonistin emanzipiert sich vom Mann und zeigt gesellschaftliche Missstände wie die Unterdrückung der Frauen und die Diskriminierung von People of Color auf, während der Mann um sich selbst kreist und den Verlust der Frau betrauert. Das weiße, männlich dominierte Narrativ wird dadurch infrage gestellt.
Herden: Auch weil ein und derselbe Raum für einen weißen Mann und eine schwarze Frau im Vergleich völlig andere Bedeutungen in sich tragen kann. Im Stück erkennt man das besonders gut, wenn seine Wahrnehmung von Amerika im direkten Vergleich auf ihre trifft. Meine Figur möchte und muss sich entdecken sowie die verschiedenen Schichten ihrer Identität. Deshalb muss sie sich aus dem ihr Bekannten, ihr Vertrauten lösen, weil sie sich damit nicht mehr identifiziert.
Eidinger: Die Protagonistin emanzipiert sich vom Mann und zeigt gesellschaftliche Missstände wie die Unterdrückung der Frauen und die Diskriminierung von People of Color auf, während der Mann um sich selbst kreist und den Verlust der Frau betrauert. Das weiße, männlich dominierte Narrativ wird dadurch infrage gestellt.
Müssen sie sich erst verlieren, um sich wiederzufinden?
Herden: Ja. Man kann ja nichts wiederfinden, was man nicht vorher verloren hat. Sie finden sich selbst unabhängig voneinander. Und was danach passiert, ist doch meistens einfach gut. Ob man zusammen ist oder nicht, ist dann eher ein Detail.
Gehört es zu Ihren Stärken als Künstler*innen, dass Sie sich andauernd neu erfinden?
Eidinger: Es gibt Schauspieler*innen, die haben eine bestimmte Art, die sie jedem Inhalt überstülpen. Bei mir ist es andersherum. Ich habe einen Inhalt und versuche, die adäquate Form dafür zu finden. Als ich angefangen habe, Brecht-Gedichte zu lesen, gab es Leute, die dachten, Hamlet liest jetzt Brecht (Eidinger spielt seit 2008 Shakespeares Hamlet an der Berliner Schaubühne, seine „Lebensrolle“, Anm. d. Red.).
Herden: Das ist nur der Blick von außen. Ich bin ja von da, wo ich stehe, immer Lary, egal ob ich singe, schreibe, spiele, rote oder schwarze Haare habe, Deutsch oder Französisch spreche. Ich glaube, als Künstler*in versucht man immer wieder, neue Formen zu finden, um sich auszudrücken, zumindest ist das für mich so.
Herden: Das ist nur der Blick von außen. Ich bin ja von da, wo ich stehe, immer Lary, egal ob ich singe, schreibe, spiele, rote oder schwarze Haare habe, Deutsch oder Französisch spreche. Ich glaube, als Künstler*in versucht man immer wieder, neue Formen zu finden, um sich auszudrücken, zumindest ist das für mich so.
Wie ist es für Sie, Frau Herden, neben dem Gesamtkunstwerk Lars Eidinger auf der Bühne zu stehen?
Herden: Es ist mein erstes Mal auf der Theaterbühne. Es ist scary und gleichzeitig wahnsinnig spannend und bereichernd, in dieser Konstellation zu kreieren. Auch wenn ich mich auf der Bühne zu Hause fühle, ist die Form in allem, was wir hier machen, neu für mich, und ich bin superdankbar für diese Herausforderung.
Wie ist die gemeinsame Arbeitsweise auf der Bühne?
Eidinger: Eine der Qualitäten von Regisseur Ivo van Hove: Er hat sich seine Unsicherheit bewahrt. Ivo ist jemand, der zweifelt.
Herden: Und einlädt zum Mitgestalten.
Herden: Und einlädt zum Mitgestalten.
Zweifel zuzulassen ist eine Voraussetzung für die Kunst, oder?
Eidinger: Es gibt ein Zitat der Schauspielerin Helene Weigel, die gesagt hat: „Hast du eine Idee, vergiss sie!“ Das hat mich anfangs irritiert, weil ich dachte, die Idee ist doch etwas Positives. Bei einer Improvisation, dachte ich, sitzen alle am Bühnenrand, und wenn einer eine Idee hat, geht er auf die Bühne. Das Ideal einer Improvisation ist aber, auf die Bühne zu gehen ohne irgendeine Ahnung, auf was es hinausläuft. Weil man dann tatsächlich in Beziehung tritt. An einer Idee kann man sich festhalten, sie schützt einen vor Unsicherheit. Das hehre Ziel auf der Bühne ist aber, sich verletzlich und schutzlos zu zeigen und sich angreifbar zu machen.
Der Journalist Ingmar Volkmann ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit an den Staatstheatern Stuttgart.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Nr. 1 2025/26 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Nr. 1 2025/26 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.
I Did It My Way
Sep 2025