
zurück
03.06.2025 Goldenes Stuttgart
Goldenes Stuttgart
Theater zwischen Oper und leer stehendem Autohaus. Dramaturgin Katinka Deecke im Gespräch über das komplexe Projekt „Cité d’or“
Frau Deecke, worum geht es in Cité d’or – Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart?
Es geht um Vergnügen und den Versuch, damit Geld zu machen. Das ist ein zentrales Thema in Bertolt Brechts und Kurt Weills Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, auf deren Titel Cité d’or anspielt. Die transnationale Gruppe La Fleur, deren Mitglieder aus der Elfen- beinküste, aus Mexiko und aus Deutschland kommen, kennt sich damit gut aus. Von der ivorischen Vergnügungsindustrie wird ein Bogen nach Mexiko und auch nach Stuttgart gezogen, wo (noch) nicht so sehr das Vergnügen, sondern eher die Frage nach der Zukunft der Autoindustrie diskutiert wird. Auch wenn die Grundlagen der Einkünfte unterschiedlich sind – es geht immer um die Sicherung des Lebensunterhalts und um die Frage, wie man sich verhält, wenn die Erhaltung des eigenen Lebens nur auf Kosten von anderen Menschen möglich ist.
Wie passen profitorientierte Autoindustrie und Vergnügungssucht zusammen?
Stuttgarts Ruf ist vor allem der einer Stadt, in der man arbeitet. La Fleur als Expert*innen für das Vergnügen hingegen wissen, dass auch das Vergnügen harte Arbeit ist. Es gibt keine Lebensbereiche, die außerhalb ökonomischer Zusammenhänge stehen. Damit wird zudem klar, dass unter den meisten Entscheidungen, seien sie ökonomischer, politischer oder persönlicher Natur, moralische Fragen liegen.
Die Mitglieder von La Fleur stammen aus unterschiedlichen Kulturen. Wie spiegelt sich das in der Aufführung?
Das Stück wird in einem gemeinsamen Prozess entwickelt, in dem es klare Verantwortungs- bereiche wie Regie, Bühnenbild, Performance et cetera gibt. Die Mitglieder der Gruppe haben indes sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe, und so treffen unterschiedliche Sprachen, Ästhetiken, Politiken aufeinander, was den Prozess stark prägt und dann auch in der Aufführung erlebbar sein wird.
Und spielen Brecht und Weill eine Rolle in Cité d’or?
Es werden Themen aufgegriffen, weitergespon- nen und mit eigenen Kompositionen kombiniert. Wie immer bei La Fleur wird das Stück vielsprachig sein, auf Französisch, Spanisch und Deutsch, die konsekutive Übersetzung ist Teil der Ästhetik.
Auch unterschiedliche Theatersysteme treffen aufeinander.
Das ist sicher einer der interessantesten As- pekte bei diesem Projekt, denn hier arbeiten nicht nur unterschiedliche (darstellerische) Kulturen zusammen, sondern auch verschiedene ökonomische und institutionelle Systeme. Neben La Fleur werden Mitglieder des Staatsorchesters spielen. Das Theater RAMPE aus dem Stuttgarter Süden ist ein zentraler Pfeiler des Projekts und hält die Fäden im Hintergrund zusammen. Es ist herausfordernd und inspirierend, wie die unterschiedlichen Arbeitsweisen logistisch und künstlerisch zusammenfinden.
Zum Schluss: Nachhaltigkeit spielt hier eine besondere Rolle. Inwiefern?
Cité d’or wird von der Kulturstiftung des Bundes aus einem Fonds für nachhaltige Kunstproduktionen gefördert. Das Theater RAMPE ist sehr engagiert in diesem Bereich und hat La Fleur eingeladen, sich im Rahmen von Cité d’or mit dem Thema zu beschäftigen. Die Gruppe interessiert sich schon lange für diese Fragen, das Bühnenbildduo Mukenge/Schellhammer arbeitet unter anderem mit der Wiederverwendung von Bühnenmaterialien. Wichtig ist bei transnationalen und transkontinentalen Projekten auch, die Produktionsweisen und Residenzen so zu transformieren, dass Reisen nachhaltiger geplant werden können. Auch das ist Thema dieses Projekts.
Interview: Florian Heurich
Dieser Beitrag erschien zunächst in der vierten Ausgabe der Spielzeit 2024/25 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.
Headerbild: © La Fleur
Cité D’Or
Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart