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01.02.2022 Axel Ranisch über Südfrüchte

Axel Ranisch über Südfrüchte

Verlieben kann man sich, wenn’s sein muss, in alles, findet Axel Ranisch, der mit sinnlicher Freude eine Oper voll Absurditaten inszeniert: Prokofjews „Die Liebe zu drei Orangen“.
Als kleiner Junge in der DDR bekam ich zu Weihnachten immer ein Paket von unserer Verwandtschaft aus dem Westen, in dem unter anderem Mandarinen und Orangen waren. Vor allem das Schälen der Früchte war für mich damals ein besonderes Erlebnis für die Sinne, mehr noch als das Essen: der Duft der Schale, der an den Fingern haften blieb, der Saft, der herausspritzte, die Farbe. Und es ging so unglaublich einfach, die Schale abzupellen, ganz im Gegensatz zu den kubanischen Orangen, die wir manchmal in der DDR bekamen. Die waren nahezu unschälbar und absolut trocken.

Genau dieses Gefühl, das ich als Kind hatte, wollte ich in meine Inszenierung übertragen. Deshalb gibt es dort Orangen, die man wirklich schälen kann, und darinnen befindet sich dann das Wunder. Unsere Orangen sind handgenäht. Wenn man sie öffnet, kommt wie in einem Überraschungsei eine Kugel zum Vorschein mit einer Plastikpuppe darin: jeweils eine Prinzessin.

Bei Prokofjew stehen die drei Orangen für die Unmöglichkeit der Liebe. Man kann sich in alles verlieben, wenn es sein muss, sogar in Zitrusfrüchte. Dabei scheitern die ersten beiden Versuche, erst beim dritten klappt es. So wie im Leben, da ist die erste Liebe meistens auch nicht von langer Dauer.

Die Orange hat immer auch eine gewisse sexuelle Bedeutung. Gerade das Schälen ist ja ein sehr
sinnlicher Akt. Prokofjew hat aber gesagt, man solle in die drei Orangen nicht zu viel hineininterpretieren. Sie seien lediglich ein weiteres groteskes Bild in dieser Oper voller Absurditäten. Ich bin ein großer Freund des Dadaismus, deshalb denke ich, man muss die absurden Dinge auch einfach mal als solche hinnehmen. Es ist doch eine tolle Vorstellung, wenn aus einer Orange plötzlich eine Prinzessin herauskommt.

Aufgezeichnet von Florian Heurich
Dieser Beitrag erschien in der Februar-Ausgabe des Monatsmagazins Reihe 1 der Staatstheater Stuttgart.

Die Liebe zu drei Orangen