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13.11.2025 Was fetzt denn da?

Was fetzt denn da?

Bei Leoš Janáček fangen Wald und Tierwelt zu singen und klingen an: „Die schlaue Füchsin“ ist eine Oper über Mensch und Tier, Natur und Kultur – und auch den Chorstimmen kommt eine ganz besondere Rolle zu. Bernhard Moncado, stellvertretender Chordirektor der Staatsoper Stuttgart, erzählt im Interview von den Besonderheiten dieser Oper, von seiner Arbeit mit dem Staatsopernchor und dem Kinderchor und von den Herausforderungen seines Berufs.
Lieber Bernhard, was macht die Chorstimmen in der "Schlauen Füchsin" denn so besonders?
Janáček war berühmt für seine Vertonung der Sprachmelodik: Er notierte im Alltag Gesprächsfetzen und übertrug deren Rhythmus und Tonfall in die Musik. In Die schlaue Füchsin verschmilzt seine Technik mit der tschechischen Sprache auf ganz eigene Art, in seiner Musik entstehen kurze, rhythmische und lebendig wirkende Motive. Aber auch Naturgeräusche, Tierlaute und Vogelrufe finden Eingang, die sich wie Krähen, Gackern, Quaken oder Zirpen anhören.
Kinderchor der Staatsoper Stuttgart in der Rolle der Fuchskinder
Foto: Martin Sigmund
Während Figuren wie Förster, Füchsin oder Fuchs ihre ganz individuellen Geschichten erzählen, verkörpert der Chor Natur, Gesellschaft, Schicksal und den ewigen Kreislauf von Leben und Tod mit einer Vielzahl an Chorstimmen, die die Tier- und Naturwelt lebendig werden lassen. Der Damenchor stellt zum Beispiel die Welt der Hennen dar, der gemischte Chor übernimmt die Stimmen der Waldtiere, der Kinderchor agiert als Fuchskinder. Und sechs Kinderchor-Soli singen die Försterkinder Frantizek und Pepič, außerdem die Rollen Grille, Heuschrecke, Jungfrosch und Jungfüchsin.
Welche Klänge bekommen wir auf der Bühne zu hören?
Die Hennen werden von einem Teil des Damenchors dargestellt. Sie singen in kurzen, abgehackten Silben, die sich wie ein Gackern anhören. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die Verwendung von tschechischen Wörtern mit vielen hellen Vokalen wie „i“ oder „e“ und explosiven Konsonanten wie „k“ oder „t“.
Eine gackernde Horde Hühner und das "Drrrrrrr" der Schopfhenne: Szene mit den Damen des Staatsopernchors aus Die schlaue Füchsin, Video: Martin Mannweiler, Foto: Martin Sigmund
Die Damen und Herren des Staatsopernchors Stuttgart, der in Stephan Kimmigs Inszenierung nicht auf, sondern für die Zuschauer nicht sichtbar ist und hinter der Bühne singt, verkörpert mit atmosphärischen Klängen „die Stimmen des Waldes“, die Naturverbundenheit und das Leben symbolisieren. Hier setzte Janáček fließende, wellenartige Linien ein, die wie Rauschen oder Summen wirken: ein steter Klangteppich der Natur. Und die tschechischen Texte verstärken durch ihre weichen und vokalreichen Klänge noch diese Wirkung.
Die Fuchskinder schließlich werden vom Kinderchor verkörpert, ihr Gesang bringt eine helle und unschuldig wirkende Klangfarbe ein. Gesungen wird in schnellen Intervallen, die ein spielerisches, quiekendes Timbre erzeugen. Janáček nutzte dafür kurze, sich wiederholende Silben, die an das Fiepen kleiner Tiere erinnern. Auch andere kleine Tierrollen wie Frösche oder Grillen übernimmt der Kinderchor mit Tonwiederholungen, die dem Quaken und Zirpen ähnlich sind.
In seiner Komposition verwendete Janáček also keine reinen Fantasielaute wie „miau“ oder „wau“, sondern tschechische Wörter, musikalisch so geformt und zusammengesetzt, dass sie wie Tierlaute klingen. Insgesamt entstand dadurch eine Mischung aus Sprache, Naturgeräusch und Musik, die den Chor in Die schlaue Füchsin wirklich einzigartig macht.
Der Chor der Waldtiere (Damen und Herren des Staatsopernchors hinter der Bühne) und der tanzende Kinderchor feiern die Hochzeit von Fuchs und Füchsin. Video: Martin Mannweiler, Foto: Martin Sigmund
Du bist bereits seit 2018/19 an der Staatsoper.
Ja, gemeinsam mit Manuel Pujol teilen wir zwei Chordirektoren uns die die Arbeit auf: Bei Choreinstudierungen übernimmt der Erste Chordirektor neben administrativen Aufgaben die meisten Premieren, während ich mich um Wiederaufnahmen, Repertoire und vor allem um die Einstudierungen des Kinderchors kümmere.

Bei den Proben im Chorsaal sind wir beide anwesend. Für jede Produktion trägt einer von uns die künstlerische Gesamtverantwortung, aber indem beide Chordirektoren alle Einstudierungen betreuen, ist gewährleistet, dass jeder alle Stücke musikalisch beherrscht. Das ist notwendig: Aus künstlerischen Gründen aber auch für den Krankheitsfall.

Wir sind rein dirigierende Chordirektoren. Das bedeutet, dass es einen fest angestellten musikalischen Chorassistenten gibt, der am Flügel die Proben des Opernchors begleitet. Auch die Proben des Großen und Kleinen Kinderchores gehören zu seinen Aufgaben.
Warst Du vor Stuttgart bereits an anderen Häusern als Chordirektor tätig?
Angefangen habe ich in München an der Bayerischen Staatsoper als Solo-Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung und musikalischer Assistent des damaligen Generalmusikdirektors Wolfgang Sawallisch. Danach war ich mehr als zehn Jahre am Theater Aachen – zuerst als Kapellmeister und Korrepetitor mit Schwerpunkt Musical, Operette, Spieloper, dann das klassisch-romantische Repertoire wie auch zeitgenössisches Musiktheater, schließlich Chordirektor und Kapellmeister. Diese Doppelfunktion ist an mittleren Opernhäusern üblich. Danach war ich fast 14 Jahre als Chordirektor mit Dirigierverpflichtung am Theater Freiburg tätig.
Was würdest Du in Deiner Stuttgarter Zeit bisher als besondere Herausforderung bezeichnen?
Gleich in meinem ersten Jahr habe ich die Einstudierung der Minimal-Music-Oper Nixon in China von John Adams übernommen. Ich hatte bereits in Freiburg eine Oper von John Adams, Civil Wars, einstudiert und war dadurch mit diesem Stil vertraut. Diese Art von Musik mit einem klassisch ausgebildeten Chor zu erarbeiten ist eine komplexe Aufgabe – es gab aber noch eine größere Herausforderung: Normalerweise dirigieren wir bei Aufführungen unterstützend von der Seite. In der Nixon-Inszenierung von Regisseur Marco Štorman agiert der Chor im Zuschauerraum – und es war für den Dirigenten nicht möglich, präzise Einsätze gleichzeitig nach vorne wie auch nach hinten zu geben. Es war meine pragmatische Idee, mich in der Mitte des Orchestergrabens zwischen Schlagwerk und tiefer Kontrabass-Gruppe aufzustellen und diagonal zum Dirigenten die Einsätze zeitgleich und synchron zum Orchesterdirigenten zu geben und antizipierend den Chor zu dirigieren.
Und Deine nächste Einstudierung einer Neuproduktion?
Das wird Turandot von Giacomo Puccini in der Inszenierung von Anna-Sophie Mahler sein, Premiere ist am 7. Juni 2026 – ich freue mich schon auf dieses ganz besondere Werk, in dem der Chor ja eine so große Rolle spielt!
Das Interview führte Claudia Eich-Parkin, Kommunikaton Staatsoper Stuttgart.
Mehr über Bernhard Moncado

Bernhard Moncado studierte Klavier an der Musikhochschule Köln sowie Dirigieren an der Musikhochschule Düsseldorf. In den Jahren 1988 und 1989 war er musikalischer Assistent von Leonard Bernstein beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Neben verschiedenen Gastdirigaten, unter anderem beim Internationalen Mozart-Festival in Penang, Malaysia, und an der Kleinen Oper in Düsseldorf war er von 1990 bis 1993 Solorepetitor und musikalischer Assistent von Wolfgang Sawallisch an der Bayerischen Staatsoper. Zwischen 1993 und 1997 war Bernhard Moncado Kapellmeister und Solorepetitor am Theater Aachen. Ab 1999 war er dort Chordirektor und in derselben Position von 2004 bis 2018 am Theater Freiburg tätig.
Seit der Saison 2018/19 ist er stellvertretender Chordirektor an der Staatsoper Stuttgart. In der Saison 2025/26 übernimmt Moncado neben der Betreuung des Repertoires vor allem auch die Choreinstudierungen für die Neuproduktionen Die schlaue Füchsin und Turandot. In der Zeit von 1. April 2026 bis zum Beginn der Opernsaison 2026/27 wird Bernhard Moncado als Kommissarischer Chordirektor des Staatsopernchors Stuttgart agieren.

Bernhard Moncado
Foto: Sebastian Mare