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10.07.2024 sinfoniekonzert
Was in Tschaikowskys Musik zu hören ist
Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Cornelius Meister findet am 14. und 15. Juli das 7. und damit letzte Sinfoniekonzert der Spielzeit 2023/24 statt. Auf dem Programm stehen Tschaikowskys erste, zweite, fünfte und sechste Sinfonie. Was man aus der Musik des russischen Komponisten raushören kann, erfahren Sie von unserem Konzertdramaturgen Otto Hagedorn.
Traumhaft winterlich
Die erste Sinfonie
Während des Entstehungsprozesses befand sich Tschaikowsky in einer mentalen Extremlage. In dieser Zeit, 1866, scheint er sich zunehmend seiner Homosexualität bewusst geworden zu sein. Die damit einhergehende Selbstverachtung sollte sein gesamtes Leben überschatten. Immer wieder quälten ihn schwere Depressionen. Während er seine Erste komponierte, litt er unter einer regelrechten psychischen Zerrüttung, an marternder Schlaflosigkeit, die zu Halluzinationen führte. Fieberhaft, wie ihm Wahn, warf er sich in die Arbeit an der Sinfonie, sich selbst bis Juli in einen Nervenzusammenbruch treibend. Dennoch gelang es ihm, das Werk im August weitgehend abzuschließen. Nach zwei gründlichen Revisionen wurde die erste Sinfonie im Februar 1868 in Moskau uraufgeführt – zu Tschaikowskys Freude mit überragendem Erfolg.
Mut zum Volkslied
Die zweite Sinfonie
Viel hat er sich für dieses Werk vorgenommen: Stärker noch als in seinem Erstling wollte er Volksmusik in die Kunstmusik integrieren und sie so mit der westeuropäischen Sinfonietradition vereinen. Laut Herman Laroche, einem der wichtigsten russischen Musikkritiker, ist Tschaikowsky das voll und ganz gelungen: „Es handelt sich um ein Werk von europäischem Format“; zugleich habe der Komponist ein „außerordentlich subtiles und lebhaftes Gespür für die gesunde und großartige Schlichtheit unseres Volksliedes“.
Schicksalsdrama
Die fünfte Sinfonie
Wesentlich für die positive Einschätzung dieses Werkes ist die Konsequenz, mit der sich das Thema der langsamen Einleitung als roter Faden durch alle Sätze zieht. Direkt zu Beginn stellen die Klarinetten es vor, in einer Mischung aus Resignation und Wehmut. So klingt die von Tschaikowsky beschworene „völlige Ergebung in das Schicksal“. Das damit exponierte Schicksalsthema ertönt mehrfach an zentralen dramaturgischen Stellen der Sinfonie – und zwar in jeweils grundverschiedenen Stimmungen: niederschmetternd im sonst so idyllischen zweiten Satz, sanft in den tiefen Holzbläsern am Ende des Walzers, direkt gefolgt am Anfang des Finales in streichersatter Dur-Wendung, ehe es beim „Moderato assai e molto maestoso“ festlich strahlt. Tschaikowsky schafft mit diesem Schicksalsthema eine musikalische Klammer, mit der er eine zyklische Einheit der viersätzigen Sinfonie herstellt.
Ende in tragischem Ersterben
Die sechste Sinfonie
Von seinen schweren Depressionen zeugt ein Brief, den der Komponist Anfang 1890 an seinen jüngeren Kollegen Alexander Glasunow schrieb: „Ich befinde mich in einem höchst rätselhaften Zustand – auf dem Wege zum Grabe. Es geht etwas Merkwürdiges, Unbegreifliches in mir vor. Etwas wie Lebensüberdruss hat mich ergriffen; ich leide zeitweise unter wahnsinnigem Kummer, aber es ist nicht jenes Leiden, in dem ein neuer Aufschwung der Liebe zum Leben keimt, sondern etwas Hoffnungsloses, Finales.“