Adieu, Helene!

Sie war die jüngste Kammersängerin ihrer Zeit, stand in über 30 Rollen auf der Stuttgarter Opernbühne, und ist als Gastsängerin international tätig: Helene Schneiderman geht nach 38 Jahren als festes Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart in den Ruhestand. Wir haben das Archiv durchstöbert und schwelgen in Erinnerung an 38 wunderbare Jahre gemeinsam mit Helene Schneiderman.
Helene Schneiderman kam nach ihrem Studium direkt nach Deutschland, erst nach Heidelberg, dann nach Stuttgart, wo sie 1984 direkt ins Solisten-Ensemble engagiert wurde. Mit ihrer beweglichen, koloraturreichen Stimme und ihren einfühlsamen Rollenporträts avancierte sie bald zum Publikumsliebling. Den Figuren, denen sie Körper und Stimme gibt, blickt sie mit großer Empathie tief in die Seele, und teilt das Gesehene mit ihrem Publikum.

„Helene Schneiderman ist eine Legende: Als Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart seit 38 Jahren, als Humanistin und Brückenbauerin zwischen ihrer jüdischen Familie und dem heutigen Deutschland, als Gastsängerin in den großen internationalen Häusern in New York, Paris, Salzburg, Berlin. Diese Prominenz ist doppelt einzigartig, denn Helene Schneiderman hat sie erreicht in einem Stimmfach, das von Hause aus traditionell eher für die Rollen der zweiten Reihe verantwortlich zeichnet: Als Mezzosopranistin! Ich bin sehr stolz, am 4. Juli gemeinsam mit meinen Vorgängern Albrecht Puhlmann und Jossi Wieler Helene Schneiderman in den Unruhestand verabschieden zu dürfen. Und natürlich wird sie als ‚Gast‘ auch in den kommenden Jahren auf der Bühne der Staatsoper Stuttgart zu erleben sein.“ so Intendant Viktor Schoner.
Helene Schneiderman (Mitte) als Carmen in der Inszenierung von Carlos und Antonio Saura von 1991. Foto: Hannes Kilian
An der Staatsoper Stuttgart hat sie in den letzten 38 Jahren über 30 Rollen gesungen, darunter die Titelpartien in La Cenerentola, Carmen, und Giulio Cesar in Egitto, außerdem zahlreiche weitere Rollen wie Hänsel in Hänsel und Gretel, Penelope in Il ritorno d'Ulisse in Patria, und zuletzt u.a. die Kurfürstin in Der Prinz von Homburg und Prinzessin Clarice in Die Liebe zu drei Orangen.
In Axel Mantheys Inszenierung von Il ritorno d'Ulisse in Patria von 1992 verkörperte Helne Schneiderman die Rolle der Penelope. Foto: Andreas Pohlmann
Wenn man so lange an einem Haus ist, bleibt es nicht aus, dass man einige Rollen nicht nur jahrelang, sondern auch in verschiedenen Inszenierungen übernimmt. Helene Schneiderman hat nicht nur Hänsel über 10 Jahre lang an der Staatsoper gesungen, sondern auch Prinz Orlofsky aus der Fledermaus. Im Jahr 2000 in der Inszenierung von Tilman Knabe sang sie die Rolle zum ersten Mal am Haus, von 2010–2015 übernahm sie diese Rolle in der Produktion von Philipp Stölzl erneut.
Helene Schneiderman (2. v.l.) als Prinz Orlofsky
im Jahr 2000 ...
Foto: Barbara Aumüller
... und im Jahr 2015.
Foto: Martin Sigmund
Neben ihren großen Erfolgen im Opernfach hat sie sich einen Namen als Interpretin jüdischer Lieder gemacht. Ihre Eltern waren Überlebende der Shoa und sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Europa in die USA emigriert. Helenes Mutter Judith überlebte in Auschwitz nur, weil sie den Nationalsozialisten deutsche Lieder vorsang. Die Lebenserinnerungen ihrer Mutter hat Helene Schneiderman zu einem berührenden musikalisch-literarischen Abend geschaffen, der einerseits ein beklemmendes Zeugnis der Shoa ist, aber gleichzeitig einen Hoffnungsimpuls für alle Vertriebenen gibt.
Applaus für Helene Schneiderman und Alma Sadé nach ihrem Liederabend über die Geschichte ihrer Mutter Judith. Am Klavier begleitete Barrie Kosky.
Helene Schneiderman ist eine feste Stütze des Ensembles, international gefeiert und durch ihr gesellschaftliches Engagement, nicht zuletzt auf Grund ihrer eigenen familiären Holocaust-Geschichte eine wichtige Stimme der Stadt Stuttgart. Wir sind dankbar, dass wir Helene Schneiderman in den letzten 38 Jahre zu unserem Ensemble zählen konnten und freuen uns auf viele Wiedersehen in den kommenden Jahren!

Auf bald und alles Gute, liebe Helene!