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06.01.2019 Aschenputtel

Wer ist Cenerentola?

Man kennt sie seit Jahrhunderten in vielen Ländern, unter vielen Namen, in vielen Varianten: Aschenputtel, Cenerentola, Cendrillon, Cinderella – vielfach ist diese Geschichte erzählt worden, in Musik, Literatur, bildender Kunst und Film. Als Rossinis Angelina bzw. „Cenerentola“ ist sie nun wieder auf der Bühne des Opernhauses zu sehen – Zeit für eine kleine, höchst unvollständige Spurensuche.
Am Ende schließt die Geschichte immer gleich: Das Gute triumphiert über das Böse, und so fasst auch Rossinis Oper die Handlung im Untertitel als „La bontà in trionfo“ zusammen. Doch was vor dem (zumindest für die Protagonistin) glücklichen Ende passiert, ist in allen Varianten sehr unterschiedlich. 

Allein der Gegenstand, den Aschenputtel verliert: Mal ist es ein gläserner Pantoffel wie bei Charles Perrault, ein Schühchen mit Korkabsatz bei Giambattista Basile, bei den Grimms wird der Schuh dann golden – und manchmal ist es auch ein Ring wie bei Ludwig Bechsteins und Johann Karl August Musäus' Aschenpüster, oder er mutiert wie bei Rossini zum Armreif. Das Motiv des verlorenen Gegenstands, der schließlich zur ersehnten Geliebten führt, ist jedoch deutlich älter: Bereits der antike Historiker Strabo erzählt von der Hetäre Rhodope, der ein Adler den Schuh raubt und einem König überbringt – der wiederum nur von der Form des Schuhs auf die Schönheit der Besitzerin schließt und sie suchen lässt.

Immer jedoch gehört der Gegenstand ganz unverwechselbar nur der einen jungen Frau. Und er schafft für alle Beteiligten die Erkenntnis, dass sich hinter der schmutzigen Fassade des Aschenputtels eine Schönheit verbirgt – innerlich wie äußerlich.
Wer ist diese geheimnisvolle Schöne? Diana Haller als Angelina in der Stuttgarter Inszenierung.
Doch wie wird aus dem Aschenputtel die geheimnisvolle Fremde auf dem Fest des Prinzen? Auch hier gibt es in der europäischen Märchentradition die unterschiedlichsten Varianten: Während bei Rossini sämtliche zauberhaften Elemente getilgt sind und allein Alidoro, der Hauslehrer des Prinzen, für die Ausstaffierung Cenerentolas sorgt, sind es erstaunlich oft Bäume, die den Ballschmuck abwerfen. Am berühmtesten ist hier wohl die Grimmsche Fassung, in der Aschenputtel den Haselnussbaum auf dem Grab der Mutter anruft:
Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich!
Wirf Gold und Silber über mich!
Schon bedenkt sie ein Vöglein mit dem gewünschten Kleid – und auf geht's zum Ball des Prinzen. Auch Charles Perrault erzählt von einem Baum auf dem Grab der Mutter, allerdings ist es hier Cendrillons Patin, die den entscheidenden Hinweis gibt oder ihr in einer zweiten Version die erwünschten Dinge herbeizaubert.

Die heute vielleicht populärste Version des Märchens stammt aus dem Jahr 1973. Der tschechisch-deutsche Film Drei Haselnüsse für Aschenbrödel trägt die wundermächtigen Elemente bereits im Titel: drei Haselnüsse, die die drei Ballkleider des Aschenbrödels in sich bergen. Im Kern basiert er auf der Nacherzählung des Aschenputtel-Märchens von Božena Němcová aus den 1840er-Jahren, greift jedoch auch Elemente der Grimmschen Variante auf. Nicht nur zur Weihnachtszeit: Der Märchenfilm gehört sicherlich zu den beliebesten und ikonischsten Bearbeitungen des Stoffes – und nicht umsonst lässt Andrea Moses in ihrer Stuttgarter Inszenierung von Rossinis Cenerentola die Titelfigur ebendiesen Film sehen und sich von ihren Stiefschwestern in eine bessere Welt davonträumen.

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

Doch wer in Aschenputtel die reine Güte und Liebenswürdigkeit vermutet, täuscht sich – es gibt auch die andere Sicht auf diese Figur: Giambattista Basile erzählt in seinem bereits 1634 erschienenen Pentamerone davon, wie die „Gatta Cenerentola“, also die „Aschenkatze“, zunächst auf Anraten ihrer Hauslehrerin ihre verhasste Stiefmutter köpft, um sodann in dieser eine noch garstigere Stiefmutter mitsamt sechs (!) bösen Stiefschwestern zu finden. Doch Calamita, Fiorella, Diamante, Calommina und Pascarella (so heißen die sechs) müssen auch in Basiles Version kapitulieren und sich am Ende eingestehen, dass „ein Narr ist, wer's mit den Sternen aufnehmen will“.

Da hat es Diana Haller als Stuttgarter Cenerentola mit nur zwei bösen Stiefschwestern namens Clorinda und Tisbe doch ein klein wenig besser – und zumindest für uns im Publikum Sitzende ist es mit Catriona Smith und Maria Theresa Ulrich in diesen Rollen erheblich lustiger:

Clorinda und Tisbe go wild..

Doch auch bei Rossini geht's den beiden bösen Schwestern an den Kragen und sie müssen ihre eigene Verstiegenheit einsehen – wenngleich Aschenputtel dem komödiantisch überdrehten Paar hier natürlich vergibt. Weder werden ihnen von Tauben die Augen ausgepickt noch müssen sie sich Zehen und Fersen abhacken.

Und so enden alle hier erwähnten Fassungen des Aschenputtel-Märchens glücklich – zumindest für die Titelheldin und ihren Prinzen. Rossini fasst in seiner Cenerentola das Erstrahlen des Mauerblümchens besonders schön in der finalen Arie zusammen: Hat Angelina die ganze Oper über kein größeres Solo, gesteht ihr Rossini eine finale Bravourarie zu, deren halsbrecherische Koloraturen es in sich haben. Und so fasst der finale Jubelchor den Triumph der Güte folgendermaßen zusammen: 
Alles wechselt stets im Leben,
Freude folget nach dem Schmerz;
Und es fühlt mit frohem Beben
Sel'ge Wonne nun Dein Herz.

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