Wenn Avatare schlafen

Backstage-Praktikum
Leander Eckhardt (17) und Leander Hartmann (17) gehen jede Woche ins JOiN. Sie erfinden ein Theaterstück und die Charaktere dazu: Typen, die in der digitalen Welt ein Riesendurcheinander anrichten
Eigentlich sind wir abends schon ganz schön geschafft von Schule, Sport und Musikunterricht. Trotzdem gehen wir seit ein paar Monaten jeden Donnerstag um 18 Uhr zum JOiN, also zur Jungen Oper im Nord. Wir mögen Theater und haben schon bei mehreren Jugendprojekten mitgemacht. Im Nord bekommt man einiges mit von dem Betrieb hinter den Kulissen. Da gibt es Probenräume, die sind so groß wie die Bühnen im Opernhaus und im Schauspielhaus. Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Schauspieler laufen durch die Gänge, aber auch viele Handwerker. In einer Werkstatt werden Kulissenteile und Möbel für die Bühnen gebaut, da riecht es nach frisch geschnittenem Holz.

Wir machen uns erst mal warm, wenn wir ankommen, wie die Profis. Wir lockern unsere Muskeln, machen Stimmübungen. Unsere Gruppe ist mittlerweile schon richtig zusammengewachsen. In den ersten zwei Monaten ging es darum, die anderen Jungen und Mädchen und die Regisseure kennenzulernen und eine Gruppenharmonie zu entwickeln. Dafür haben wir gemeinsam kleine Szenen zum Thema Kontrolle improvisiert – unser Theaterstück heißt Control CTRL, es geht um Digitalisierung und Kontrolle. Nach dem Kennenlernen haben wir begonnen, unsere Rollen zu entwerfen, jeder nach seinen Ideen. Genauer gesagt sind es Avatare, wie im Computerspiel. Unsere heißen Big L (Leander Hartmann) und Erich Wolf (Leander Eckhardt).
Sieht nicht so aus, ist aber Arbeit: Proben für das Stück Control CTRL.
Big L ist DJ, und er lebt nicht heute, sondern in den 80er-Jahren, als es weder Smartphones noch öffentliches Internet gab. Bei ihm dreht sich alles um Musik, sein Leben ist eine einzige Party. Erich Wolf ist Geschäftsmann aus den 20er-Jahren, für ihn zählen nur Geld und Erfolg. Jeder von uns hat sich überlegt, wie sein Avatar aussieht, wie er sich bewegt und spricht, welche Kleidung er trägt. Wir haben sogar einen Sound komponiert, der gespielt wird, wenn er auftritt. Im Requisitenraum haben wir Dinge ausgewählt, die unsere Avatare tragen, Kopfhörer und ein Radio für Big L zum Beispiel.

Jeden Donnerstag versetzen wir uns nun in unsere Rollen und bleiben für den Rest des Abends auch darin, egal, was wir tun oder besprechen. Weil es so viele verschiedene und verrückte Charaktere gibt, kommt es immer wieder zu Missverständnissen oder absurden Situationen. Ein Mädchen zum Beispiel hat einen Roboter erfunden, der nur in Nullen und Einsen spricht.

Unsere Regisseure haben uns beim Entwerfen der Rollen geholfen, indem sie Fragen stellten wie für einen persönlichen Steckbrief. Dann haben sie ein Theaterstück entwickelt, das all diese schrägen Charaktere zusammenbringt – dafür gilt ihnen unsere höchste Ehrerbietung! In unserem Stück leben die Avatare in der digitalen Republik CONTROL, und die Frage ist, wie soll die aussehen? Was für eine Welt wollen wir da erschaffen? In was für einem Staat wollen wir leben? Wie viel Kontrolle ist gut? Was passiert, wenn wir die Kontrolle verlieren? Was wir da erarbeiten, wird jetzt aber nicht verraten. Das seht ihr am Abend der Aufführung!
Leander Eckhardt und Leander Hartmann entwickeln
ihre Rollen in Control CTRL selbst.
Dieser Artikel erschien bereits in der Reihe 5 der Staatstheater Stuttgart.

Control CTRL