Im 4. Sinfoniekonzert bringt das Staatsorchester Stuttgart ein „unmögliches“ Werk zur deutschen Erstaufführung. Doch was genau hat es mit Arturo Márquez' „Sinfonía Imposible“ auf sich? Wir haben uns mit der Dirigentin Alondra de la Parra über die Ansätze und die Musik ihres mexikanischen Landsmannes unterhalten.
Was hat Sie auf die Idee gebracht, bei Arturo Márquez eine Sinfonie in Auftrag zu geben?
Tatsächlich sind Arturo und ich musikalische Weggefährten. Seine fantastische Musik gehört seit vielen Jahren zu meinem Kernrepertoire. Ich glaube, ich habe kein Werk so oft aufgeführt wie seinen Danzón Nr. 2. Unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt, und so haben wir während der Pandemie begonnen, gemeinsam an unserer Idee mit der Sinfonía imposible zu arbeiten. Ich bin stolz darauf, dass ich sie für die erste Ausgabe des Festival Paax GNP im Jahr 2022 in Auftrag gegeben habe. Das Paax GNP ein Festival in Mexiko für sinfonische Musik, bei dem ich die Musikalische Leitung inne habe. Nun ist es mir eine große Freude, diese Sinfonie zum ersten Mal in Deutschland aufzuführen. Dass ich dies mit dem Staatsorchester Stuttgart tun kann, macht es noch besonderer.
Arturo Márquez ist einer der bedeutendsten Komponisten in Mexiko. Jedes neue Werk von ihm wird von einer Schar an Musikliebhabern mit Spannung erwartet und er ist inzwischen der meistgespielte mexikanische Komponist in den Konzertsälen auf der ganzen Welt.
Warum heißt das Werk „Sinfonia imposible“? Warum „unmöglich“?
Márquez befasst sich in seinem Werk mit den größten Notständen, die wir als Menschheit bekämpfen sollten. Er erforscht Themen wie Klimawandel, Resilienz und die Gleichstellung der Geschlechter. Jedes dieser Themen wird in einem Satz seiner Komposition aufgegriffen. Ihre Botschaft wird – dem Leitmotiv der vier Noten folgend – je nach Konzept des jeweiligen Satzes verändert. Nach Márquez‘ Auffassung erscheint es uns oft unmöglich, sich den großen politischen wie gesellschaftlichen Themen unserer Zeit anzunehmen, weil wir uns als Gesellschaft nicht einig sind. Oder, weil sie uns schlicht nicht interessieren. Der Titel Sinfonía imposible bezieht sich also auf die Ohnmacht, in der wir uns gerade befinden, wenn es darum geht, wirklich etwas zu verändern.
Wie wird das Thema der Gender Equality in der Sinfonie aufgegriffen?
Die Gender Equality ist die Inspiration für den dritten Satz. Er erinnert uns an die Kämpfe, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts in ihrem täglichen Leben von der Gesellschaft auferlegt werden. Diese Kämpfe werden durch zwei Celli, männlich und weiblich, versinnbildlicht, die im Kanon spielen. Dabei ist der Part für die Frau oktaviert, was die Bedingungen erheblich erschwert. Auch die Aufteilung der Streicher in diesem Satz ist eine Besonderheit: Das Divisi ist nach Geschlecht und nicht nach Tonhöhe geordnet. Das Werk kann daher nur aufgeführt werden, wenn die Streichergruppen gleichmäßig aus Männern und Frauen bestehen.
Welche Botschaft soll das Werk an die Zuhörer vermitteln?
Jeder Satz berührt auf eine andere Weise. Márquez hat eine sehr tiefgründige und spezielle Art, die spezifische Krise, die jeder Teil anspricht, musikalisch darzustellen. Sie soll das Bewusstsein schärfen und uns alle inspirieren, die aktuellen Probleme zu lösen. Die Sinfonie ist eine technische Herausforderung für die Musiker und lädt zugleich das Publikum ein, über die aktuelle Lage der Menschheit nachzudenken. Sie ist einfach großartig.