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22.01.2025 Dostojewski und das Roulette

„Rien ne va plus!“

Wie ist eigentlich der „Spieler“-Roman entstanden? Ein atemloser Überblick über Dostojewskis Lebenssituation, das Roulette und seinen drohenden Ruin durch die Spielsucht von Albrecht Selge.
Nicht etwa Bad Homburg oder Wiesbaden (wo der Autor selbst dem Glücksspiel verfiel) oder Baden-Baden (wo seine Sucht sich austobte und ihn ruinierte), sondern Roulettenburg nannte D. den Handlungsort seines Romans Der Spieler, den er 1865 binnen vier Wochen Anna Grigorjewna Snitkina diktierte, seiner Stenografin und späteren Geliebten, deren Vermögen bis hin zur Kleidung er nach der Heirat ebenfalls verzockte, und man könnte bei diesem klangplumpen Ortsnamen an D.s innige Abneigung gegen die Deutschen denken, erzhagere Barone und füllige Baroninnen, deren schnarrendes »Jawohl!« er im Spieler gehässig karikiert, ein treffliches Zerrbild, das man allerdings nicht mehr gar so amüsant finden wird, wenn man D.s allgemeines Ressentiment gegen den flachen »Westen« bedenkt, seine Beschwörung der aus altreligiösen Quellen zu schlürfen vermögenden Rus, die unselige Tradition jenes Tiefheits-Chauvinismus mitbegründend, der heute in der Ukraine völkermörderische Urständ feiert; dass er den Roman in nur 26 Tagen einsprach, lag am Mausefallenvertrag mit einem Verleger, dem der klamme Autor im Sommer die Rechte an seinem gesamten Werk überschrieben hatte, für den Fall, dass er nicht bis Herbst liefern würde, zugleich aber dürfen diese 26 Tage (in ihrer Gedrängtheit vergleichbar den nächtlichen Stunden vor der Generalprobe, in denen Mozart seine Opernouvertüren aufs Papier warf) nicht zu der Illusion verleiten, das Werk sei in dieser Frist tatsächlich komponiert worden; den geistigen Entwurf hatte D. längst in sich, jene beklemmende, irrsinnige, irre komische Geschichte, in der ein Haufen abgefuckter Russen (auf dem Höhepunkt die steinreiche Erbtante, die sich direkt aus Russland, wo das Roulettespiel verboten war, an den fatalen Roulettetisch rotiert) am Rhein Vermögen und Lebensglück durchbringt, und man kann sich ausmalen, wie D. im Schreibrausch seine verhängnisvollen Spielräusche von Neuem durchlebte, diesmal künstlerisch fruchtbar gewendet, denn eines muss man sagen, die beim Lesen spürbare Hektik ist kein Mangel, sondern verleiht dem Spieler einen speziellen Reiz des Direkten.
Dieser Beitrag erschien zunächst in der zweiten Ausgabe 2024/25 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.

Headerbild: Fjodor Dostojewski im Jahr 1861, also zwei Jahre vor Entstehung seines Romans Der Spieler (Quelle: Wikipedia)

Der Spieler

Feb 2025
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Mär 2025
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19:00 – 21:45
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8 / 17 / 26 / 40 / 53 / 66 / 82 / 99 / 115 €
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Opernhaus
8 / 17 / 26 / - / 53 / 66 / 82 / 99 / 115 €
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