Olivier Messiaens „Saint François d’Assise“ ist ein rahmensprengendes Werk! Beim Blick auf die über 100 beteiligten Musiker*innen des Staatsorchesters fällt eines sofort auf: Die Schlagzeuger Thomas Höfs, Philippe Ohl und Christoph Wiedmann stehen in unserer Orchesteraufstellung nicht nur wortwörtlich im Mittelpunkt, sondern sind tatsächlich die musikalischen Stars. Hier erzählen sie, was es für sie bedeutet, Teil dieser Ausnahmeproduktion zu sein.
Für uns Stabspielsolisten (wir spielen Xylophon, Xylorimba und Marimbaphon) ist die Produktion von Saint François d’Assise eine „once in a lifetime“-Erfahrung, denn diese Oper steht sehr selten auf den Spielplänen der Opernhäuser. Hier in Stuttgart wird der Heilige Franz nach insgesamt fünf Vorstellungen ebenfalls die Bühne verlassen – zu groß ist der Aufwand für eine Wiederaufnahme. Das Werk gilt als Meilenstein in der Karriere von Schlagzeugern, und einige Musiker warten ihr ganzes Leben darauf, es einmal spielen zu dürfen. Wir drei sind bereits seit über 20 Jahren Mitglieder im Staatsorchester, und uns wurde bereits von unseren Lehrern von Messiaens monumentaler Oper erzählt. Insofern ist es eine ganz besondere Ehre für uns, dass die Leitung des Hauses uns das Vertrauen sowie die künstlerische Wertschätzung geschenkt und uns besetzt hat. An anderen Häusern werden für die hochkomplexen und schwer zu lernenden Partien oft Gäste oder Spezialisten für Messiaens Musik engagiert.

Im klassischen Opernkanon gibt es eigentlich kein vergleichbares Werk: Während andere Komponisten Opern mit nur wenigen Stellen für Xylophon geschaffen haben, sind wir bei Messiaens Saint François d’Assise mit über 30 Passagen im Grunde die ganze Zeit über im Einsatz. Dabei ist die Musik sehr komplex und wir fungieren über die vier Stunden reine Aufführungsdauer oft als Puls- und den Rhythmusgeber für den Rest des Orchesters.

Die musikalische Herausforderung ist es, dabei durchgehend unisono zu spielen – denn wenn wir rhythmisch auseinanderdriften, ist das sofort hörbar. Der einzigartige Mixturklang unserer Stabspiele entsteht dadurch, dass wir zwar den selben Rhythmus, jedoch gleichzeitig verschiedene Tonhöhen spielen. Bei der berühmten Vogelpredigt wurden von Messiaen gleich vier verschiedene rhythmische Schichtungen notiert, wovon wir als Trio eine darstellen. Der leidenschaftliche Ornithologe Messiaen orientiert sich auch hier an einer Vielzahl unterschiedlicher Vogelstimmen, die das ganze Werk durchziehen. Um das alles bei den Aufführungen umsetzen zu können, haben wir schon vor gut 9 Monaten begonnen, zu üben. Zuerst jeder für sich, und dann recht bald als Trio.
Thomas Höfs, Philippe Ohl und Christoph Wiedmann haben viele Monate an den Stabspiel-Soli geübt.
Die Musik ist sehr vielseitig: zum Einen in höchstem Maße virtuos und oft nahezu spätromantisch anmutend. Fast könnte man meinen, Leitmotive zu erkennen. Zum Anderen erhält sie erst durch avantgardistische Passagen ihre unvergleichbare Präsenz und Sogkraft. Bei aller Komplexität ist die Musik immer ehrlich und hat etwas Sakrales. Ein bisschen erinnert sie an einen Spaziergang durch die großen gotischen Kathedralen Frankreichs, in denen jedes aufwändig gestaltete Fenster eine eigene Geschichte erzählt. So hat Messiaen auch seine musikalischen Szenen während der acht Tableaus aufgebaut, die jeweils unabhängig voneinander eine Station aus dem Leben des Heiligen Franziskus behandeln.
Messiaen hat überdurchschnittlich viel Notenmaterial für die Stabspieler komponiert – auf den ersten Blick wahnsinnig abstrakt und musikalisch höchst komplex!
Bei den Vorstellungen dieses Ausnahmeprojekts hält der wunderbare Titus Engel alles zusammen, mit dem wir seit dem Probenbeginn ganz eng zusammenarbeiten. Das lässt sich auch an unserer Position auf der Opern- sowie auf der Freilichtbühne am Killesberg ersehen. Anders als sonst sind unsere Instrumente dort nämlich direkt um das Dirigentenpult aufgebaut. Engel gibt uns das Tempo vor, das wir dann an unsere Orchesterkolleg*innen weitergeben.
Bei den Aufführungen haben Thomas Höfs, Philippe Ohl und Christoph Wiedmann mit ihren Instrumenten einen exponierten Platz, anders als sonst, direkt um das Dirigentenpult.
Nach den vielen Proben und den ersten umjubelten Vorstellungen können wir nachvollziehen, warum unsere Lehrer und Professoren seinerzeit so begeistert von Messiaens Musik gesprochen haben, denn auch uns hat die Euphorie für dieses Werk gepackt. Deswegen: Lassen Sie sich Saint François d’Assise auf keinen Fall entgehen! Es ist eine einmalige Erfahrung, die so schnell nicht wiederkommen wird. Sehen wir uns also bei einer der beiden letzten Vorstellungen am 2. oder 9. Juli?

Und so klingt's: