Wenn am 4. Juni 2022 Antonín Dvořáks „Rusalka“ im Opernhaus Premiere feiert, kehrt ein faszinierendes Werk zurück auf die Bühne, die 1929 die deutsche Erstaufführung des werks herausbrachte. Verena Völker begleitet die Proben hautnah als Hospitantin im Team von Regisseur Bastian Kraft. Ein kleiner Einblick in den Probenalltag aus ihrer Perspektive.
Seit Mitte April wird hier in Stuttgart nun an Rusalka geprobt, doch die konzeptionellen Vorarbeiten reichen noch viel weiter zurück: Etwa zwei Jahre bereits wird nun an der Inszenierung gearbeitet, werden Bühne und Kostüme konzipiert und hergestellt, und natürlich müssen die Rollen vom Sängerensemble einstudiert werden. Als sich alle Mitwirkenden schließlich zum Konzeptionsgespräch und zur ersten szenischen Probe einfanden, war das ein großer Moment für alle Beteiligten. Doch der erste Wermutstropfen fiel alsbald in die allgemeine Aufbruchsstimmung: Dass die Corona-Pandemie immer noch den Arbeitsalltag bestimmt, wurde gleich zu Beginn deutlich, als der Regisseur erkältungsbedingt zwei Tage vom Home-Office aus arbeitete. Er wurde über eine Videokonferenz auf dem Handy zugeschaltet und konnte so das Probengeschehen leiten. Aber natürlich waren wir alle erleichtert, als er in Präsenz wieder mitwirken konnte.
Am nächsten Tag um 10 Uhr beginnt die Probe im Nord. Die dortige Probebühne ist eine maßstabsgleiche Nachbildung der Bühne des Opernhauses, so dass alle Vorgänge (fast) 1:1 geprobt werden können. „Good morning everybody“ begrüßt der Regisseur Bastian Kraft das Ensemble und alle Beteiligten der Produktion.
Eine Opernproduktion ist Teamwork. Während der Regisseur Anweisungen gibt, notieren die Assistentinnen diese auf iPads und schreiben die Notizen und Anweisungen mit. Auch erstellen sie den Plan, wann und welche Sänger*innen zur Probe bestellt werden müssen. Bei den Proben sind immer auch Mitarbeiter*innen von Bühnentechnik, Requisite, Kostüm und Video anwesend. So können neuentwickelte Ideen sofort umgesetzt werden.

Eine wesentliche Besonderheit dieser Inszenierung ist die Besetzung von Drags: So wird jede Figur aus der Natur- und Wasserwelt von jeweils einer*m Sänger*in und einem*r Drag-Performer*in dargestellt. In der ersten Szene beispielsweise treten drei Nymphen auf, was in Bastian Krafts Inszenierung so aussieht: Drei Sängerinnen auf einer Plattform oberhalb der Bühne und singen, während drei Drags auf der Bühne tanzen und „lip syncen“, also den Anschein erwecken, als würden sie singen. So gibt es neben den szenischen Proben auch choreographische Proben, die teils von einer Drag, teils vom Regisseur geleitet werden.
Wasserwesen x 2: Die Sänger*innen Natasha Te Rupe Wilson, Catriona Smith, Leia Lensing und Goran Jurić (oben, v.l.n.r.) werden gedoppelt von den Drag-Queens Vava Vilde, Alexander Cameltoe, Purrja und Lola Rose (unten, v.l.n.r.). © Matthias Baus
Die Verkörperung einer Figur durch zwei Personen ermöglicht viele szenische Vorgänge, die normalerweise nicht möglich wären. In einer Szene beispielsweise steht der Drag-Wassermann auf der linken Seite der vor Bühne und hält einen Spiegel in der Hand. Mit diesem wird ein Scheinwerferlicht so geschickt gebrochen, dass der Lichtstrahl den anderen Sänger-Wassermann auf der rechten Seite erleuchtet. Die Arie des Wassermanns verspricht also wahrlich „strahlend“ zu werden!
Goran Jurić als Wassermann singt von der Vergänglichkeit der Liebe, während sich Rusalka (gespielt von Drag-Queen Reflektra) im Hintergrund auf ihre Hochzeit vorbereitet.
© Matthias Baus
Im Laufe der Wochen werden alle Szenen geprobt. Wie ein Mosaik werden die einzelnen Stellen zusammengeführt, so dass nach der Hälfte der Probenzeit schon Akte komplett durchgespielt werden können.

Die Oper wird hier natürlich im tschechischen Original gegeben – eine große Herausforderung fürs gesamte Ensemble. Gerade das „Ř“ gilt als einer der am schwierigsten auszusprechenden Laute überhaupt. Es wird wie ein gerolltes „R“ und „Sch“ gleichzeitig ausgesprochen. Doch die Sängerinnen und Sänger sind es gewohnt, auch in Sprachen zu singen, die sie normalerweise nicht sprechen. Bereits seit zwei Jahren studieren sie ihre Partien bereits, außerdem erhalten sie während den Proben professionelles Sprachcoaching, so dass einer authentischen, tschechischen Aussprache nichts mehr im Wege steht.

Wie die neue Rusalka aussieht und klingt, erleben Sie ab dem 4. Juni in der Staatsoper Stuttgart!