Das Jahr 1870 scheint ein besonders glückliches im Leben Richard Wagners gewesen zu sein. Nach einer komplizierten Dreiecksbeziehung konnte er seine Cosima endlich heiraten und sie seine Frau nennen. Außerdem kam sein Sohn Siegfried zur Welt. Grund genug, den beiden ein eigenes Musikwerk zu widmen...
Sein Siegfried-Idyll zählt zu Richard Wagners wenigen reinen Instrumentalkompositionen. Geschrieben hat er das Werk im Jahr 1870 aus Freude über die Geburt seines Sohnes Siegfried, genannt Fidi, sowie als Geburtstagsgeschenk für seine Frau Cosima. Im selben Jahr hatten Wagner und Cosima, die Tochter von Franz Liszt und der Schriftstellerin Gräfin Marie d’Agoult, in Luzern geheiratet. 1863 hatten sie sich auf einer Kutschfahrt erstmals ihre gegenseitige Liebe gestanden. Damals war Cosima noch mit dem Dirigenten Hans von Bülow verheiratet und es begann eine komplizierte Dreiecksbeziehung. Sieben Jahre später, am Morgen des 25. Dezember 1870, dem 33. Geburtstag Cosimas, überraschte Wagner seine Frau mit einer Aufführung des Siegfried-Idylls im Treppenhaus ihrer Villa in Tribschen am Vierwaldstätter See. Aufgrund der räumlichen Gegebenheit wurde das Werk mit solistischer Besetzung uraufgeführt. In der Partitur notierte Wagner: „Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang, als Symphonischer Geburtstagsgruß. Seiner Cosima dargebracht von Ihrem Richard.“
Richard Wagner überraschte seine Cosima am Morgen des 25. Dezember 1870 mit dem Siegfried-Idyll in deren Villa in Tribschen.
Im Siegfried-Idyll verarbeitet Wagner mehrere Themen aus Siegfried, dem dritten Teil der Ring-Tetralogie. Nach einer Introduktion erklingt das erste Hauptthema, das der Schlussszene seines Musikdramas entnommen ist. Der Titelheld ist durch den Feuergürtel zur schlafenden Brünnhilde vorgedrungen und hat sie mit einem Kuss geweckt. Zu jenem Thema singt Brünnhilde: „Ewig war ich, ewig bin ich, ewig in süß sehnender Wonne – doch ewig zu deinem Heil!“ Neben diesem als Friedensmelodie bezeichneten Thema, verwendet Wagner auch das sogenannte Weltenhortthema, das in dem Musikdrama unmittelbar auf die Friedensmelodie folgt. Mit diesem Thema wendet sich Brünnhilde an ihr Gegenüber: „O Siegfried! Herrlicher! Hort der Welt! Leben der Erde! Lachender Held!“ Wie im Musikdrama werden beide Themen im weiteren Verlauf bedeutungsvoll miteinander verwoben. Neben weiteren Themen aus Siegfried kombiniert Wagner das Material mit einem Zitat des Volkslieds Schlaf, Kindchen, Schlaf, welches mit einer anderen als der heute gebräuchlichen Melodie erklingt. Vor dem Hintergrund der erst kürzlich mit Cosima geschlossenen Ehe und der Geburt ihres Sohnes Siegfried erscheint die Zusammenstellung des musikalischen Materials wie ein absichtlich gewähltes Netz aus musikalisch-semantischen Beziehungen – ein Musikdrama ohne Worte. Zusammen mit den Hornrufen und Imitationen von Vogelstimmen, die an die Bergwelt der Schweizer Alpen erinnern, ist das Werk eine Momentaufnahme aus einer besonders glücklichen Zeit im Leben Wagners.
Text Claudia Jahn-Schuster

Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ ist im 5. Kammerkonzert zu hören: