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12.10.2020 Happy Birthday, Freischütz!
Happy Birthday, Freischütz!
Vom Skandal zur Kult-Inszenierung: Heute vor 40 Jahren, am 12. Oktober 1980, feierte Achim Freyers heute legendäre Produktion von Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ Premiere im Stuttgarter Opernhaus. Zu diesem Jubiläum erinnern wir uns mit Dramaturg Klaus-Peter Kehr noch einmal zurück.
„Die Premiere war nichts weniger als ein Skandal. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sich distinguierte Herren am Revers geschüttelt und angeschrien haben: ’Sie sind gehirnamputiert!’ Rückblickend muss man sagen, dass viele sich verarscht gefühlt haben. Sie haben die Ernsthaftigkeit in dem Stil und der Spielweise von Achim Freyer nicht erkannt. [Diese] war in ihrer Artifizialität, die auf den ersten Blick ans Kasperletheater erinnert, ungewohnt. Eine Spielweise, die zwar durchaus figurenpsychologisch war, aber eben nicht vordergründig realistisch.
Und abgesehen davon ist das wie beim Zahnarzt: Wenn die Wurzeln freigelegt werden und frische Luft drankommt, dann tut’s weh. Eine draufgepappte Hakenkreuzbinde ist schnell verstanden, bleibt aber dafür auch an der Oberfläche. Schmerzhaft wird es, wenn man an die Strukturen geht, die jeder kennt. Und das war wohl der Punkt. Dies ist eine andere Form von politischem Theater, eine nachhaltigere. Und sie bleibt länger aktuell, weil sie auf tieferen Strukturen aufbaut.
Grundsätzlich ist ja das Einzigartige an Musik und auch am Theater, dass beide Kunstformen immer Gegenwart sind. Sie existieren nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft, sondern immer nur im Jetzt, im Moment. Abgesehen davon ist es natürlich so, dass es Stücke gibt, die veralten, und dass es genauso auch Regien gibt, die veralten. Es gibt aber eben auch welche, die bleiben. Dazu kann man dann aber auch stehen. Und die Lebendigkeit des Repertoires hängt sicherlich auch mit der Sorgfalt der Dokumentation und der Wiederaufnahmeproben zusammen.“
Und abgesehen davon ist das wie beim Zahnarzt: Wenn die Wurzeln freigelegt werden und frische Luft drankommt, dann tut’s weh. Eine draufgepappte Hakenkreuzbinde ist schnell verstanden, bleibt aber dafür auch an der Oberfläche. Schmerzhaft wird es, wenn man an die Strukturen geht, die jeder kennt. Und das war wohl der Punkt. Dies ist eine andere Form von politischem Theater, eine nachhaltigere. Und sie bleibt länger aktuell, weil sie auf tieferen Strukturen aufbaut.
Grundsätzlich ist ja das Einzigartige an Musik und auch am Theater, dass beide Kunstformen immer Gegenwart sind. Sie existieren nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft, sondern immer nur im Jetzt, im Moment. Abgesehen davon ist es natürlich so, dass es Stücke gibt, die veralten, und dass es genauso auch Regien gibt, die veralten. Es gibt aber eben auch welche, die bleiben. Dazu kann man dann aber auch stehen. Und die Lebendigkeit des Repertoires hängt sicherlich auch mit der Sorgfalt der Dokumentation und der Wiederaufnahmeproben zusammen.“
Klaus-Peter Kehr gehört zu den prägenden Musiktheaterdramaturgen in Deutschland. Von 1977 bis 1991 war er u. a. als Chefdramaturg an der Staatsoper Stuttgart engagiert. Eine lange Zusammenarbeit verbindet ihn bis heute mit dem Regisseur Achim Freyer, mit dem er in Stuttgart unter anderem Der Freischütz (1980) realisierte.
Das Interview mit Klaus-Peter Kehr wurde von Ingo Gerlach geführt und im Jahr 2018 in der Zeitung der Staatsoper veröffentlicht.
Das Interview mit Klaus-Peter Kehr wurde von Ingo Gerlach geführt und im Jahr 2018 in der Zeitung der Staatsoper veröffentlicht.