Florentina Holzinger inszeniert zum ersten Mal Oper

Die Choreografin und Performancekünstlerin Florentina Holzinger entwickelt ihre erste Oper: „Sancta“ (Arbeitstitel) verbindet Paul Hindemiths für Stuttgart komponierten Einakter „Sancta Susanna“ mit Neukompositionen und geistlichen Werken zu einer feministischen Messe. Das Werk feiert im Oktober 2024 im Stuttgarter Opernhaus Premiere, zuvor kommt es am 30. Mai 2024 am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin zur Uraufführung. Anschließend ist es im Juni 2024 bei den Wiener Festwochen zu sehen. Die Produktion wird durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert.
Florentina Holzinger gilt aktuell als eine der aufregendsten Theatermacherinnen und ist bekannt für ihre radikalen wie spektakulären Performances, die alle Grenzen sprengen. Für ihre Produktion Ophelia’s Got Talent an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin ist sie in zahlreichen Kritiker*innen-Umfragen ausgezeichnet worden, u. a. in der Zeitschrift Theater heute als Theaterregisseurin des Jahres und von der Zeitschrift TANZ für die beste Inszenierung des Jahres. Erstmals entwickelt sie nun eine Oper, bei der sie und ihre Performerinnen* gemeinsam mit Gesangssolistinnen, Sängerinnen des Chores und Orchester auf der Bühne stehen.

Ausgehend von Paul Hindemiths Skandalstück Sancta Susanna – das die weibliche Libido ins Zentrum der Handlung stellt – entsteht so eine szenische Messe, die sich mit christlichen Riten ebenso wie mit Wunder und Magie auseinandersetzt und die Emanzipation weiblichen Begehrens als Befreiung feiert. Musikalisch wird der Abend mit geistlicher Musik, u. a. von Johann Sebastian Bach, Sergej Rachmaninow und Charles Gounod ergänzt. Die österreichische Komponistin Johanna Doderer wird alle musikalischen Teile der Messe für Frauenstimmen arrangieren und ein Agnus Dei sowie ein Sanctus als Neukompositionen ergänzen.

Für Florentina Holzinger ist die Erarbeitung einer Opernproduktion eine konsequente Fortführung ihres künstlerischen Schaffens: „Meine Shows haben viel mit der Oper gemeinsam. Verschiedene Kunstformen wie Tanz, Musik, Schauspiel und Performance treffen aufeinander und verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk. ‚Sancta‘ ist spannend, weil wir die konkrete Komposition, die durch Sängerinnen*, Chor und Orchester auf der Bühne erlebbar wird, um zusätzlich Instrumente, nämlich unseren performativen Zugriff auf Körper, erweitern.“

Die Staatsoper Stuttgart wird die Produktion ab Oktober 2024 im Opernhaus zeigen. Intendant Viktor Schoner: „Hindemiths ‚Sancta Susanna‘ sollte ursprünglich 1922 in Stuttgart uraufgeführt werden, wurde aber letztendlich vom konservativen Zeitgeist gecancelt. Ich freue mich, dass die Oper im Rahmen dieses aufregenden Projekts endlich nach Stuttgart kommt und nach unserer Premiere am 5. Oktober 2024 auch ins Repertoire übergeht. Als ganz besonders empfinde ich vor allem das breite Kooperationsbündnis, das uns allen erst ermöglicht hat, auf Florentina Holzingers Produktionsweise einzugehen. Wir freuen uns mit so vielen Partnern zusammen zu arbeiten und eine Verbindung zwischen den Regionen und sogar über die Landesgrenzen hinaus geschaffen zu haben.“

Trailer: Ophelia’s Got Talent

Die Produktion wird erst möglich durch ein breites Produktionsbündnis aus Florentina Holzinger/Spirit, neon lobster, dem Mecklenburgischen Staatstheater und der Staatsoper Stuttgart in Koproduktion mit den Wiener Festwochen und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin. Die jeweiligen künstlerischen Leitungen freuen sich über die gemeinschaftliche Produktionspraxis, vor allem weil das Bündnis Stadt- und Staatstheater mit Freien Produzent*innen und Festivals über Genregrenzen hinweg miteinander verbindet.

Der Generalintendant des Mecklenburgischen Staatstheaters, Hans-Georg Wegner, ist besonders stolz über die Schweriner Premiere: „Wenn das Wort ‚spektakulär‘ auf ein Theaterereignis passt, dann auf diese Produktion mit Florentina Holzinger und der Staatsoper Stuttgart mit Premiere in Schwerin. Und wir fahren wieder nach Wien: Das Mecklenburgische Staatstheater war 1985 schon einmal bei den Wiener Festwochen – mit Christoph Schroths ‚Antike-Entdeckungen‘. Jetzt sind wir stolz, mit Florentina Holzinger die spannende Theatergeschichte dieses Hauses weiterschreiben zu können!“.

Im Sommer 2024 wird „Sancta“ bei den Wiener Festwochen zu sehen sein, die das Stück der österreichischen Künstlerin koproduzieren. Der neue Intendant Milo Rau ist Florentina Holzinger ebenfalls lange verbunden: „Ich verfolge Florentinas Arbeit seit vielen Jahren. Ihre Klarheit und Radikalität, aber auch die absolute Freiheit, mit der sie feministische und insgesamt politische Positionen bezieht, passt perfekt zu den Wiener Festwochen. Als produzierendes Festival sind wir superstolz, bei der Entstehung von ‚Sancta‘ beteiligt zu sein und mit ihr die Premiere in Florentinas Heimatstadt Wien zu feiern.“ Auch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist Koproduktionspartner. Intendant René Pollesch arbeitet schon länger mit Holzinger zusammen: „Wir sind sehr stolz auf die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dieser kompromisslosen Künstlerin, deren Inszenierungen unser Repertoire konsequent inhaltlich und formal beflügeln. Mit ‚Ophelia’s Got Talent‘ hat Florentina Holzinger uns und unserem Publikum nicht nur für einen Moment den Atem genommen. Wir freuen uns auf die Kooperation und erwarten mit Spannung und Vorfreude dieses außergewöhnliche Opernprojekt.“
Foto: Elsa Okazaki