Krzysztof Penderecki (Foto: Mirosław Pietruszyński/CC-BY-SA-4.0)

Zum Tod von Krzysztof Penderecki

Der Komponist Krzysztof Penderecki ist gestorben. Der Staatsoper Stuttgart war er über lange Jahre eng verbunden, nicht zuletzt durch die Uraufführung seines „Polnischen Requiems“. Ein Nachruf von Barbara Eckle
Einfach war die Ausgangslage nicht. Seine Geburt fiel in das schicksalhafte Jahr 1933. Seine Kindheit in Polen spielte sich vor dem Hintergrund eines grausamen Krieges ab. Von den kolossalen Umwälzungen des Musikdenkens im Westen war er als junger Komponist durch den Eisernen Vorhang abgeschnitten. Doch brillantes Handwerk, geistige Flexibilität und ein festes Vertrauen in die eigene Intuition ebneten dem polnischen Komponisten und Dirigenten Krzysztof Penderecki allen Widerständen zum Trotz den Weg in eine Weltkarriere, wie sie wenigen Komponist*innen beschieden ist.

Die Uraufführung seines radikalen Orchesterwerks Anaklasis bei den Donaueschinger Musiktagen 1960 machte ihn im Westen über Nacht bekannt. Die 60er Jahre standen für ihn im Zeichen der Erkundung neuer, experimenteller Klangwelten, die sich zunächst auf abstrakter Ebene abspielten. In Werken wie Polymorphia (1961) oder Fluorescenses (1962) manifestierte sich durch geräuschintensive Tonballungen, Clustertechniken und massive, scharf konturierte Formen die Idee eines „befreiten Klanges“. Sie legte das Fundament eines neuen expressiven Klangvokabulars, das dem Komponisten erlaubte, bald auch konkrete Emotion und Pathos in einen deutlich in der Gegenwart verorteten Klang zu fassen. Auch inhaltlich kristallisierten sich klare Bezugspunkte gesellschaftspolitischer oder religiös-spiritueller Natur heraus, etwa in seinen berühmt gewordenen Werken Threnos für die Opfer von Hiroshima (1961) oder seiner mehrfach preisgekrönten Lukas-Passion (1963/65). An ihnen bildete sich Pendereckis unverkennbar expressive Handschrift aus.

Seine tiefe Verwurzelung im katholischen Glauben erwies sich in mehrerlei Hinsicht als definierendes Moment seines Schaffens – als integrative wie subversive Kraft: „Ich habe als Avantgardemusiker eigentlich nur begonnen geistliche Musik zu schreiben, weil das damals verboten war. Ich wollte zeigen, wo ich stehe. Und ich habe mich auch für Jazz interessiert, weil er neu war bei uns und weil er verboten war.“ Zugleich immunisierte ihn der religiöse Glaube gegen die Jüngerschaft in ideologisch behafteten Kreisen der westlichen Nachkriegsavantgarde. Penderecki schwebte eine größere Gemeinde vor. Mit seiner Musik wollte er alle Menschen erreichen können, nicht nur eine kulturelle Elite oder eine tonangebende Gruppe Eingeweihter.

In diesem inklusiven Geist bewegte sich Pendereckis Sprache zusehends weg von übermäßiger Komplexität. Nach großen stilbildenden Statements wie seinem Dies irae (im Andenken an die Ermordeten in Auschwitz, 1967) und seiner klangsprachlich radikalen Oper Die Teufel von Loudon (1969) nach Aldous Huxley, die bereits zwei Tage nach der Hamburger Uraufführung am Staatstheater Stuttgart zur Aufführung kam, nahm sich seine Sehnsucht nach Einfachheit, nach Versöhnung und Einkehr immer mehr Raum. An die Stelle wirkungsmächtiger Klangphänomene rückte nun wieder die gute alte Melodie, unkonventionelle Formexperimente wichen klassischeren Formen wie der Sinfonie, dem Instrumentalkonzert sowie liturgischen Kompositionen wie dem Te deum (1980) oder dem großen Polnischen Requiem (1984), das in Stuttgart in einer Kooperation zwischen dem Staatstheater und dem Südwestrundfunk seine Uraufführung erlebte.

Doch Penderecki war kein Verklärer. In sein späteres Werk schlichen sich vermehrt groteske, ja sogar sarkastische Töne ein, etwa in seinen Opern Die schwarze Maske oder Ubu Rex. Sie bringen nicht nur eine kritische Distanz in seinem Schaffen zum Vorschein, sie zeigen auch einen Komponisten, der in jeder Situation Herr seiner Kunst war. Die verstärkte Hinwendung zur Tradition bescherte ihm zwar viel Kritik aus den Reihen seiner progressiv orientierten Kollegen, doch öffnete sie ihm die Tore zu den großen Konzertsälen dieser Welt, wo er von einem breiten Publikum viel Zuspruch erfuhr. Seine expressive, klangmächtige Sprache fand sogar Eingang in zahlreiche Filme, darunter Stanley Kubricks Horrorklassiker Shining.

Am 29. März 2020 ist Krzysztof Penderecki in Krakau im Alter von 86 Jahren verstorben. Über sein Vermächtnis machte sich der unermüdlich produktive Komponist und Dirigent kaum Gedanken und vertraute der durchschlagenden Qualität seines Handwerks: „Die Geschichte siebt gnadenlos, aber meist gerecht.“