Gedenkaktion zum „Tag der Befreiung"

Der vergangene Freitag war zweifelsfrei ein historisches Datum: Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, gingen in Europa der Zweite Weltkrieg und in Deutschland zwölf Jahre nationalsozialistische Herrschaft zu Ende. Gemeinsam mit verschiedenen Stuttgarter Institutionen wurde am 8. und 9. Mai mit einer Gedenkaktion der „Tag der Befreiung" gefeiert.
In den auf das Kriegsende folgenden Jahrzehnten wurde der 8. Mai unterschiedlich begangen und erinnert - zumeist war er begleitet von einer gewissen Verlegenheit, wie er eigentlich zu benennen sei und welche Erfahrungen von Schuld und Verbrechen aber auch eigenen Leides die Deutschen in diesen Akt des Erinnerns einschließen sollten.

Auch seit der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede am 8. Mai 1985 dazu aufgerufen hatte, dieses Datum endlich als „Tag der Befreiung“ zu feiern, wird die Bedeutung dieses Datums kontrovers diskutiert. Eines ist klar: Es wird niemals überholt sein, sich daran zu erinnern, dass in Deutschland und Europa im Namen vermeintlich rassischer und nationaler Überlegenheit von Deutschen und Deutschland europaweit Verbrechen an der Menschlichkeit in enormem Ausnmaß verübt wurden. Und dass Deutschland nach dem Ende von Krieg und Faschismus die Chance bekam, als demoktratische Gesellschaft ein gleichberechtiger Partner in einem friedlichen und demokratischen Europa zu werden. Der 8. Mai könnte als Feiertag eine Gelegenheit dazu bieten, beides im kollektiven Erinnern zu verankern.

Nicht zuletzt angesichts der unleugbaren Präsenz von Rassismus und Antisemitismus, anwachsender nationalistischer Töne auch in jüngerer Zeit folgte die Staatsoper Stuttgart dem Aufruf des Bündnisses Die Vielen, den 8. Mai sowie den darauffolgenden Europatag als „Glänzende Aktionstage“ zu begehen. Gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, dem Katholischen Stadtdekanat Stuttgart und dem Französischen Kulturinstitut in Stuttgart setzte die Staatsoper am Freitagnachmittag akustische und visuelle Zeichen der Erinnerung an verschiedenen Orten der Innenstadt.

Die Rektorin der Musikhochschule Prof. Regula Rapp, Stadtdekan Msgr. Dr. Christian Hermes, die französische Generalkonsulin Madame Catherine Veber und Intendant Viktor Schoner trafen sich um 12 Uhr am Kleinen Schlossplatz zu einer kurzen Ansprache, aus den Lautsprechern eines Opern-Mobils erklangen die ersten Sätze der Rede des französischen Außenministers Robert Schumann vom 9. Mai 1950, gelesen in den verschiedenen Sprachen der Länder Europas durch Sänger*innen, Schauspieler*innen und andere Mitarbeiter*innen der Staatstheater. Im Anschluss erinnerte Stadtdekan Christian Hermes in einer kurzen Ansprache von den Stufen der Domkirche St. Eberhard die Passant*innen der Königstraße an die Bedeutung dieses Tages, an die ambivalente Rolle der Kirche im faschistischen Deutschland, an ihre damalige Gleichschaltung wie auch an den mutigen Widerstand zahlreicher ihrer Mitglieder. Domorganist Prof. Johannes Mayr spielte auf den Glocken.

Etwas später waren die Posaunen- und Trompetenklassen von Prof. Wiegräbe und Prof. Bauer von der oberen Galerie des Turmes der Musikhochschule zu hören. (Einige ihrer Kommiliton*innen hatten sich auf dem Platz neben dem Haus der Geschichte / der „Piazza“ versammelt, um ihnen zu zuhören. Zum Abschluss sang Kammersängerin Catriona Smith die Arie „Why should men quarrel?“ aus Henry Purcells Semi-Opera „The Indian Queen“ für die Passant*innen am Eckensee und Zuhörer’innen auf den Treppen des Litmann-Baus. Auch wenn die Begleitung durch das Cembalo und die zwei Blockflöten vom Band aus den Lautsprechern kommen musste - es war sicherlich die erste öffentlich gesungene Opernarie in Stuttgart seit dem Corona-Lockdown am 13. März.