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09.12.2024 Wer war Casanova?
Wer war Casanova?
Kaum ein Name ist mit mehr Klischees verbunden als der Casanovas. Doch wer war der Mann, dessen Name noch heute untrennbar mit der Kunst der Verführung verbunden ist? Albrecht Selge geht auf Spurensuche – und findet sogar eine erstaunliche Verbindung zum Heiligen Franz von Assisi.
Was dem heiligen Franziskus die Vögel, waren dem unheiligen Casanova die Frauen. Der eine predigte den Piepmatzen, der andere … Nein, verkneifen wir uns alle Witze mit Vögeln, denn Casanova ist ein Pick-up-Artist von venezianischem Niveau: Er legt nicht flach, sondern verführt. Wobei man anmerken muss, dass diese 500- oder 600- seitigen Casanova-Memoiren eben Herr Casanova schrieb und nicht etwa eine seiner vielleicht 500 oder 600 Frauen, die Autoren gängiger Casanova-Bücher heißen Uwe oder Roger oder Stanley, und die Schöpfer einer schmissigen Casanova-Operette von 1928 waren nicht Ralphina, Johanna, Rudolfine und Erna, sondern Ernst, Rudolf, Johann und Ralph.
„This is a man’s world but it would be nothing, nothing without a woman“, das gilt hier mehr denn je, allerdings leider auch James Browns heikler Nachsatz: „or a girl“. Denn Casanovas Beute war, nach heutiger Rechtslage, oft minderjährig; und dass eines seiner vielen Kinder zugleich das Kind einer seiner Töchter war, gehört zu den Dingen, die wir doch lieber ausblenden, wenn wir unsere Träume in den Verführer projizieren. Doch auch wenn Casanova heutzutage zu Recht im Gefängnis enden würde, bleibt die Projektionsgestalt „Casanova“ ein unausweisbarer Traumbewohner unserer Kultur.
Sein vorgestelltes Leben ist eine Reise durch Welten: Venedig mit seinen Karnevalsmasken und Spielcasinos, auch Vaterstadt des in seiner Jugend spielsüchtigen Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte, der viel später in Wien den alt gewordenen Casanova kennenlernte, ständig in Geldnot, aber noch immer von unverschämtem Charme (als da Ponte ihn brieflich um die Rückzahlung geliehenen Geldes bat, antwortete Casanova: „Als Cicero an seine Freunde schrieb, versagte er es sich, von Geschäften zu sprechen.“). Saragossa und Tarragona. Die Terrasse von Schloss Sanssouci. Schloss Dux in Böhmen.
Und wie bei Da-Ponte-Mozarts Don Giovanni, der im Grunde ja notorisch scheitert, lässt sich auch Casanovas Erfolgsleben als ein erregender Pleitereigen lesen, voller Zurückweisungen und Ausweisungen, Inhaftierungen und Bankrotte. Vielleicht aber reizt gerade das uns umso mehr zur Projektion: aus ewigem Auflaufen das Abenteuer zu saugen, ja die Unsterblichkeit. (Und dass in Stuttgart der Casanova vom selben Bariton gesungen wird, der für seinen Saint François ausgezeichnet wurde, Michael Mayes, hat also vielleicht nicht nur musikalisch seine Richtigkeit.)
„This is a man’s world but it would be nothing, nothing without a woman“, das gilt hier mehr denn je, allerdings leider auch James Browns heikler Nachsatz: „or a girl“. Denn Casanovas Beute war, nach heutiger Rechtslage, oft minderjährig; und dass eines seiner vielen Kinder zugleich das Kind einer seiner Töchter war, gehört zu den Dingen, die wir doch lieber ausblenden, wenn wir unsere Träume in den Verführer projizieren. Doch auch wenn Casanova heutzutage zu Recht im Gefängnis enden würde, bleibt die Projektionsgestalt „Casanova“ ein unausweisbarer Traumbewohner unserer Kultur.
Sein vorgestelltes Leben ist eine Reise durch Welten: Venedig mit seinen Karnevalsmasken und Spielcasinos, auch Vaterstadt des in seiner Jugend spielsüchtigen Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte, der viel später in Wien den alt gewordenen Casanova kennenlernte, ständig in Geldnot, aber noch immer von unverschämtem Charme (als da Ponte ihn brieflich um die Rückzahlung geliehenen Geldes bat, antwortete Casanova: „Als Cicero an seine Freunde schrieb, versagte er es sich, von Geschäften zu sprechen.“). Saragossa und Tarragona. Die Terrasse von Schloss Sanssouci. Schloss Dux in Böhmen.
Und wie bei Da-Ponte-Mozarts Don Giovanni, der im Grunde ja notorisch scheitert, lässt sich auch Casanovas Erfolgsleben als ein erregender Pleitereigen lesen, voller Zurückweisungen und Ausweisungen, Inhaftierungen und Bankrotte. Vielleicht aber reizt gerade das uns umso mehr zur Projektion: aus ewigem Auflaufen das Abenteuer zu saugen, ja die Unsterblichkeit. (Und dass in Stuttgart der Casanova vom selben Bariton gesungen wird, der für seinen Saint François ausgezeichnet wurde, Michael Mayes, hat also vielleicht nicht nur musikalisch seine Richtigkeit.)
Albrecht Selge
Dieser Beitrag erschien zunächst in der zweiten Ausgabe der Spielzeit 2024/25 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.
Bild: Porträt des Giacomo Casanova (1725-1798) von Francesco Narice
Casanova
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