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21.01.2025 Axel Ranisch über „Der Spieler“
„Ohne Augenhöhe scheitert jede Liebe“
Eine Oper im All? Aber ja! Regisseur Axel Ranisch hat die Handlung von Prokofjews „Der Spieler“ auf einen fremden Planeten verlegt. Warum das so ist, wer seine Lieblingsfigur des Stücks ist und wie Liebe und Spiel zusammenhängen, erklärt er im Interview mit Benedikt von Bernstorff.
Herr Ranisch, Sie haben das Szenario für den Spieler ins All verlegt. Warum?
Prokofjew komponierte den Spieler zwischen September 1915 und Februar 1916, einer Zeit, die ihm wie der Weltuntergang vorgekommen sein muss. Das fiktive Roulettenburg, in dem die Oper spielt, wirkt wie ein Exil der Superreichen an einem Unort fernab des Kriegsgeschehens, irgendwo zwischen Sibirien und der Wüste von Nevada.
Nicht nur heute ersehnen Milliardäre das Überleben der finanzstarken Elite im All, auch die Bewegung der russischen Kosmisten träumt Anfang des 20. Jahrhunderts von einem neuen Menschen und der Besiedelung fremder Planeten. Und so spielt unsere Inszenierung im Nirgendwo, mitten auf dem Mars, der sich am Ende vielleicht auch nur als Oberfläche eines dystopischen Spiels entpuppt.
Nicht nur heute ersehnen Milliardäre das Überleben der finanzstarken Elite im All, auch die Bewegung der russischen Kosmisten träumt Anfang des 20. Jahrhunderts von einem neuen Menschen und der Besiedelung fremder Planeten. Und so spielt unsere Inszenierung im Nirgendwo, mitten auf dem Mars, der sich am Ende vielleicht auch nur als Oberfläche eines dystopischen Spiels entpuppt.
Der Regisseur wurde früher auch als Spielleiter bezeichnet. Trifft das Wort Ihr Selbstverständnis?
Ich liebe diesen Begriff. In den meisten meiner Spielfilme betitele ich mich selbst im Abspann als Spielleiter. Denn das ist es, was wir tun: Alle Gewerke auf und hinter der Bühne spielen miteinander, mischen ihre Ideen, bringen ihre Geschenke in die Produktion ein. Und so entsteht im Zusammenspiel für alle ein lustvoller Spieleabend, meistens ein Gesellschaftsspiel, manchmal ein Glücksspiel, am liebsten ein Kinderspiel, aber selbst ein Trauerspiel muss erlaubt sein.
Mit welcher Figur der Oper von Prokofjew können Sie sich am leichtesten identifizieren?
Mit Polina. Sie ist vielleicht die Einzige, die in diesem Wahnsinn einen klaren Kopf behält und nach einer menschlichen Seele sucht, die ihr bei der Flucht helfen kann. So kam mir meine Pubertät oft vor. Aber ich liebe auch diesen besessenen Alexej, den man am liebsten wachrütteln, ihm eine runterhauen und dann im nächsten Moment in den Arm nehmen und trösten möchte.
Spiele können in lebensbedrohenden Ernst umschlagen. Gehört die Gefahr dazu?
Wenn das Spiel zur Ersatzhandlung wird und zur Projektionsfläche unerfüllter Träume verkommt, wandelt sich Lust in Trieb. Dann bleiben Freude und Genuss auf der Strecke, und krankhafter Wahn und Zwang erfüllen die Synapsen. Gibt es auch nur eine Geschichte über Spielsucht, die glücklich endet?
Im Spieler wird um Geld, aber auch mit der Liebe gespielt. Gibt es in der Liebe Spielregeln?
Ohne Augenhöhe scheitert jede Liebe. So einfach das klingt, es ist die größte Herausforderung. In Prokofjews Oper gibt es keine Augenhöhe. Alle Figuren sehen auf alle anderen herab. Das macht diese Gesellschaft so toxisch. Kein Wunder, dass Polina da unbedingt rauswill. Ich würde auch wahnsinnig werden.
Dieser Beitrag erschien zunächst in der zweiten Ausgabe 2024/25 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.
Der Spieler
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