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28.10.2024 Keine Angst vor irgendwas
Keine Angst vor irgendwas
Bereits seit 15 Jahren fördert die Staatsoper Stuttgart junge Nachwuchssänger*innen im Rahmen des Internationalen Opernstudios und bietet ihnen die Chance, auf der ganz großen Bühne erste Erfahrungen zu sammeln. Olivia Johnson und Sam Harris sind seit dieser Spielzeit neu im Opernstudio. Marc Pfeiffer und Paula Stietz haben mit den beiden über ihren Start in Stuttgart und die Arbeit an der Staatsoper gesprochen.
Was waren eure Erwartungen an die Stadt und das Opernstudio?
Sam Harris: Ich hatte erwartet, sehr beschäftigt zu sein und sehr schnell sehr hohe Leistungen erbringen zu müssen. Und das trifft auch zu: Im Konservatorium gibt es vielleicht ein bisschen Spielraum, wenn du deine Partie, die du auf der Bühne singen musst, noch nicht kennst. Aber in der Berufswelt ist jeder im Einsatz, da kann man nicht die Zeit der Leute damit verschwenden, dass man die Noten nicht kennt.
Olivia Johnson: Ich hatte wirklich keine Vorstellung davon, wie Deutschland im Allgemeinen und Stuttgart im Besonderen sein würden. Aus irgendeinem Grund dachte mein amerikanisches Gehirn: große Architektur, Stein, prächtige Häuser. Aber es ist sehr ruhig, sehr entspannt, sehr friedlich. Im Rahmen des Opernstudios erwarte ich als Sängerin wachsen zu dürfen und tolle Leute zu treffen.
Olivia Johnson: Ich hatte wirklich keine Vorstellung davon, wie Deutschland im Allgemeinen und Stuttgart im Besonderen sein würden. Aus irgendeinem Grund dachte mein amerikanisches Gehirn: große Architektur, Stein, prächtige Häuser. Aber es ist sehr ruhig, sehr entspannt, sehr friedlich. Im Rahmen des Opernstudios erwarte ich als Sängerin wachsen zu dürfen und tolle Leute zu treffen.
Viele Opern sind auf Deutsch oder auf Italienisch. Wie bereitet ihr euch auf fremdsprachige Opern vor?
S: Sprache ist ein großer Teil unserer Gesangsausbildung, von Anfang an hat man auch Deutschunterricht. Ich schreibe mir den Text immer auf und lerne, was jedes Wort bedeutet. In Deutschland auf Deutsch zu singen ist allerdings viel nervenaufreibender als zu Hause in Großbritannien, denn wenn man hier etwas falsch ausspricht, merkt es sofort jeder!
O: Wann immer ich mit einer Sprache anfange, benutze ich gerne das Phonetische Alphabet, denn der Klang und die Art und Weise, wie sich ein Wort in meinen Mund anfühlt, ist mir sehr wichtig – besonders beim Auswendiglernen, weil sich dabei das Muskelgedächtnis aufbaut. Außerdem: Wiederholung und nochmals Wiederholung. Manchmal spreche ich mit mir selbst, während ich im Bus sitze.
O: Wann immer ich mit einer Sprache anfange, benutze ich gerne das Phonetische Alphabet, denn der Klang und die Art und Weise, wie sich ein Wort in meinen Mund anfühlt, ist mir sehr wichtig – besonders beim Auswendiglernen, weil sich dabei das Muskelgedächtnis aufbaut. Außerdem: Wiederholung und nochmals Wiederholung. Manchmal spreche ich mit mir selbst, während ich im Bus sitze.
Wie viele verschiedene Sprachen habt ihr fürs Singen gelernt?
O: Ich habe in Grundzügen Tschechisch, Russisch, Spanisch, Italienisch, Französisch und Deutsch gelernt. Ich habe auch mal etwas auf Ungarisch gemacht, nicht gut, aber ich habe es gemacht. Dabei hatte mir eine ungarische Muttersprachlerin geholfen.
S: Ich bin viel weniger beeindruckend. (Lacht) Ich habe bereits auf Französisch, Deutsch und Italienisch gesungen. Auch mal auf Hebräisch, zwar nicht gut, aber ich habe es gemacht. Und auch ein bisschen auf Russisch, aber nicht sehr viel.
S: Ich bin viel weniger beeindruckend. (Lacht) Ich habe bereits auf Französisch, Deutsch und Italienisch gesungen. Auch mal auf Hebräisch, zwar nicht gut, aber ich habe es gemacht. Und auch ein bisschen auf Russisch, aber nicht sehr viel.
Und ist es für euch hier in Deutschland nicht einfacher, dadurch dass ihr gelernt habt, Deutsch zu singen? Versteht ihr viel, wenn jemand mit euch redet oder fällt es euch schwer?
O: Es ist anders, weil wir mit Opernlibretti meistens sehr alte und sehr poetische Texte lernen. Also, manchmal, wenn man mit jemandem sprechen will, denkt man: Moment, diese Wendung ist völlig veraltet. Das kannst du so nicht sagen, sonst klingst du wie ein Spinner!
S: Genau. Ich könnte viel über Die Loreley reden. Aber alles andere... Auch lustig: Man bringt uns ja bei, wie eine Sprache klingen soll. Wenn man dann irgendeine Kleinigkeit wie „Oh, ja genau...“ sagt, denken alle, man würde auf C2-Niveau Deutsch sprechen, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Dann antworten die Leute in vollem Umfang in muttersprachlichem Deutsch. Und ich denke mir nur so: Ich weiß nicht, was du sagst. Ich weiß nicht, was du meinst. Tut mir leid.
S: Genau. Ich könnte viel über Die Loreley reden. Aber alles andere... Auch lustig: Man bringt uns ja bei, wie eine Sprache klingen soll. Wenn man dann irgendeine Kleinigkeit wie „Oh, ja genau...“ sagt, denken alle, man würde auf C2-Niveau Deutsch sprechen, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Dann antworten die Leute in vollem Umfang in muttersprachlichem Deutsch. Und ich denke mir nur so: Ich weiß nicht, was du sagst. Ich weiß nicht, was du meinst. Tut mir leid.
Könnt ihr euch denn noch an die erste Oper erinnern, in der ihr eine große Rolle gesungen habt?
O: Meine erste große Hauptrolle war Maurya in Riders to the Sea von Ralph Vaughan Williams. Und ich habe es geliebt! Ich erinnere mich, dass es nach meiner letzten Arie ganz still war und ich die Leute schniefen hörte. Dieser Moment war für mich in gewisser Weise ein Moment der Bestätigung. Ich dachte: Oh, wow! Du kannst ja einen ganzen Raum mit deiner Stimme zum Zuhören bringen.
S: Ich glaube bei meiner ersten Oper hatte ich sehr, sehr viel Glück. Ich war im dritten Jahr meines Studiums, das war 2021 und es gab noch sehr viele Herausforderungen durch Covid. Dann habe ich bei der British Youth Opera (BYO) eine kleine Rolle bekommen, in allerletzter Minute. Ich hatte davor noch nie an einer Oper mitgewirkt, aber das brachte für mich den Stein ins Rollen. Seitdem ging es in kleinen Schritten voran, zuerst war es eine kleine Rolle für die BYO und im nächsten Jahr dann eine große Rolle. Meine erste größere Rolle war letztes Jahr Ferrando in Mozarts Così fan tutte. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, eine Show mitzutragen. Davor hatte ich zwar auch schon größere Rollen, aber, von ihnen hing nicht der ganze Abend ab. Dieses erste Mal war ein besonderer Moment für mich.
S: Ich glaube bei meiner ersten Oper hatte ich sehr, sehr viel Glück. Ich war im dritten Jahr meines Studiums, das war 2021 und es gab noch sehr viele Herausforderungen durch Covid. Dann habe ich bei der British Youth Opera (BYO) eine kleine Rolle bekommen, in allerletzter Minute. Ich hatte davor noch nie an einer Oper mitgewirkt, aber das brachte für mich den Stein ins Rollen. Seitdem ging es in kleinen Schritten voran, zuerst war es eine kleine Rolle für die BYO und im nächsten Jahr dann eine große Rolle. Meine erste größere Rolle war letztes Jahr Ferrando in Mozarts Così fan tutte. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, eine Show mitzutragen. Davor hatte ich zwar auch schon größere Rollen, aber, von ihnen hing nicht der ganze Abend ab. Dieses erste Mal war ein besonderer Moment für mich.
Du hast deine Karriere als Chorknabe begonnen. Wie war dein Weg zum Opernsänger?
S: Ziemlich lang. Um ehrlich zu sein: Bis ich erwachsen war, wusste ich nicht besonder viel über Oper. Chöre sind in England eine viel größere Sache. Als ich etwa 18, 19, 20 Jahre alt war, habe ich viel in professionellen Chören gesungen. Aber ich wusste nicht so recht, wohin ich eigentlich wollte. Aus einer Laune heraus habe ich mich dann am Konservatorium beworben und wurde angenommen. Erst da kam ich so richtig mit der Welt der Oper in Berührung und mir war klar: Da ist ja noch viel mehr! Ich meine: Nichts gegen die Welt der Chöre, ich habe eine große Zuneigung für sie – aber die Welt der Oper schien mir einfach unendlich viel aufregender! Sie hat es mir auch ermöglicht, meine Stimme so zu entwickeln, wie ich es wollte.
Du hast vorher also noch nie in einer Oper gesessen? Auch nicht im Publikum?
S: Nein. Na ja. Vielleicht zweimal. Ich habe nur nicht wirklich daran gedacht, dass das etwas für mich sein könnte – bis ungefähr zu diesem Zeitpunkt.
Wie war euer Start hier in Stuttgart? Hattet ihr dabei Hilfe?
O: Oh, ja. Elliott Carlton Hines!
S: Elliott ist der Mann! Ich wäre jetzt bestimmt im Gefängnis, wenn er mir nicht geholfen hätte – beispielsweise weil ich nicht das richtige Formular ausgefüllt hätte oder so. Wisst ihr, dieser Mann ist ein Retter, ein Gott.
O: Er saß vier Stunden lang mit mir im Bürgerbüro. Und als wir an der Reihe waren, sagte er zu den Mitarbeitern dort: „Sprechen Sie bitte Englisch! Please, for her.“ Und sie meinten nur so: „Mhm.“ Sie haben nur auf Deutsch gesprochen. Und ich dachte mir nur: Okay. Wenn du mir irgendwas verkaufst oder meine Freiheit nimmst, werde ich das nicht merken. Ich hoffe einfach das Beste. Und auch bei der Wohnungssuche hat er mich gerettet: Eine Woche bevor ich hier ankam, ist alles geplatzt, was ich geplant hatte. Und irgendwie erinnerte Elliott sich an diese reizende Dame, die ein Haus mit mehreren Zimmern und einer Wohnung ganz oben im Haus hat. Wir haben uns über FaceTime getroffen, und alles hat geklappt, und jetzt wohne ich in dieser Wohnung.
S: Bei mir war die Wohnungssuche auch schwierig. Und was mich umgehauen hat: dass die Leute einfach die Küche rausreißen, wenn sie ausziehen! Ich weiß nicht, warum sie das tun. In Großbritannien ist das nicht so.
O: Ja, ich weiß, das hat mich auch verwirrt, weil ich dachte: oh, diese Wohnung ist so billig, das ist so schön.
S: Und dann siehst du: Ah, das sind nur ein paar Rohre.
O: Ja, wirklich! Du musst alles mitbringen.
S: Ansonsten kann man ja einfach beim Gasrohr ein Feuer machen, darüber kochen, und hat dann ein Lagerfeuer im Zimmer! (lacht)
S: Elliott ist der Mann! Ich wäre jetzt bestimmt im Gefängnis, wenn er mir nicht geholfen hätte – beispielsweise weil ich nicht das richtige Formular ausgefüllt hätte oder so. Wisst ihr, dieser Mann ist ein Retter, ein Gott.
O: Er saß vier Stunden lang mit mir im Bürgerbüro. Und als wir an der Reihe waren, sagte er zu den Mitarbeitern dort: „Sprechen Sie bitte Englisch! Please, for her.“ Und sie meinten nur so: „Mhm.“ Sie haben nur auf Deutsch gesprochen. Und ich dachte mir nur: Okay. Wenn du mir irgendwas verkaufst oder meine Freiheit nimmst, werde ich das nicht merken. Ich hoffe einfach das Beste. Und auch bei der Wohnungssuche hat er mich gerettet: Eine Woche bevor ich hier ankam, ist alles geplatzt, was ich geplant hatte. Und irgendwie erinnerte Elliott sich an diese reizende Dame, die ein Haus mit mehreren Zimmern und einer Wohnung ganz oben im Haus hat. Wir haben uns über FaceTime getroffen, und alles hat geklappt, und jetzt wohne ich in dieser Wohnung.
S: Bei mir war die Wohnungssuche auch schwierig. Und was mich umgehauen hat: dass die Leute einfach die Küche rausreißen, wenn sie ausziehen! Ich weiß nicht, warum sie das tun. In Großbritannien ist das nicht so.
O: Ja, ich weiß, das hat mich auch verwirrt, weil ich dachte: oh, diese Wohnung ist so billig, das ist so schön.
S: Und dann siehst du: Ah, das sind nur ein paar Rohre.
O: Ja, wirklich! Du musst alles mitbringen.
S: Ansonsten kann man ja einfach beim Gasrohr ein Feuer machen, darüber kochen, und hat dann ein Lagerfeuer im Zimmer! (lacht)
Im September hattet ihr eure erste Vorstellung hier: Il trovatore. Wie war es?
O: Für mich war es nicht so einfach. Man singt die ersten Töne, und erst danach merkt man dann: Ah, jetzt bin ich da!
S: Es ist ja auch nicht so, dass irgendjemand einen nur nach den ersten drei Tönen beurteilt.
O: Das stimmt! Ich stand zum ersten Mal auf dieser Bühne. Es war überwältigend und ich war nervös ... Es war trotzdem eine schöne Vorstellung!
S: Meine Rolle war ziemlich klein, eine gute Art, sich einzufinden. Das Schwierige an diesen kleinen Rollen ist, dass man nicht wirklich Zeit hat, seine Stimme im Raum zu etablieren. Toll daran ist aber, dass man sich einfach weniger merken muss. Es war gut für mich, auf die Bühne geworfen zu werden, als ob das gar keine große Sache wäre. Es hieß einfach nur: „Übrigens, eure erste Show ist morgen. Viel Spaß!“ Auf der Bühne fühlte es sich dann auch nicht so an, als wäre es eine große Sache. Es ist schön, wenn du einfach auftrittst und keine Angst vor irgendwas hast. Die erste Vorstellung war für mich einfach großartig! Es hat wirklich Spaß gemacht.
S: Es ist ja auch nicht so, dass irgendjemand einen nur nach den ersten drei Tönen beurteilt.
O: Das stimmt! Ich stand zum ersten Mal auf dieser Bühne. Es war überwältigend und ich war nervös ... Es war trotzdem eine schöne Vorstellung!
S: Meine Rolle war ziemlich klein, eine gute Art, sich einzufinden. Das Schwierige an diesen kleinen Rollen ist, dass man nicht wirklich Zeit hat, seine Stimme im Raum zu etablieren. Toll daran ist aber, dass man sich einfach weniger merken muss. Es war gut für mich, auf die Bühne geworfen zu werden, als ob das gar keine große Sache wäre. Es hieß einfach nur: „Übrigens, eure erste Show ist morgen. Viel Spaß!“ Auf der Bühne fühlte es sich dann auch nicht so an, als wäre es eine große Sache. Es ist schön, wenn du einfach auftrittst und keine Angst vor irgendwas hast. Die erste Vorstellung war für mich einfach großartig! Es hat wirklich Spaß gemacht.
Vielen Dank für eure Zeit – und viel Spaß bei den kommenden Vorstellungen!
Il trovatore
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