Die Mächtigen und die Kunst

Ein römischer Feldherr erobert die noch junge DDR. Doch war die Uraufführung von Paul Dessaus und Bertolt Brechts „Die Verurteilung des Lukullus“ keineswegs von Anfang an ein Erfolg – besonders die Machthaber sahen kritisch auf das Werk. Nun steht diese Oper erstmals in Stuttgart auf dem Spielplan. Markus Dippold blickt auf die bewegte Aufführungsgeschichte dieses Werks zurück.
Was geht uns Heutige ein Feldherr aus dem antiken Rom an, der sich im Jenseits vor Gericht für seine Taten verantworten muss? Und sind die Fragestellungen eines Bertolt Brecht nach der Veränderbarkeit der Verhältnisse, dessen Text die Grundlage für Paul Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“ ist, noch die unseren? Im Gegenteil: Mit seiner farbenprächtigen Vertonung schuf Paul Dessau 1951 einen wahren Publikumshit, der in den vergangenen Jahrzehnten in Vergessenheit geriet und nun erstmals in Stuttgart gezeigt wird. Höchste Zeit für die Neuentdeckung eines faszinierenden Werks! Bereits 1939 entstand dieser „Lukullus“ als Hörspiel Bertolt Brechts, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs bearbeitete Dessau das Stück zur Oper, zunächst als Funkoper für den Nordwestdeutschen Rundfunk, bald jedoch auch für die Bühne – der Auftrag kam von der Berliner Staatsoper.

Brechts Stück setzt mit dem Trauerzug für den toten Feldherrn Lukullus ein, der kurz danach an der Pforte des Totenreichs auf seine Beurteilung durch ein jenseitiges Gericht wartet. Doch statt für seine militärischen Erfolge gepriesen zu werden, sieht sich Lukullus unbequemen Nachfragen von Vertretern aus den Reihen des einfachen Volkes ausgesetzt, bei denen es im Kern um das Leid geht, das immer mit Krieg und militärischem Erfolg einhergeht. Die Perspektive auf die Opfer ist es dann auch, die am Ende zum vernichtenden Urteil gegen Lukullus führt: „Ins Nichts mit ihm“. Ruhm und Macht des Erfolgreichen sind vergänglich und das Volk richtet über den tatsächlichen Stellenwert des scheinbar Mächtigen.
Der Dichter Bertolt Brecht und der Komponist waren überzeugte Anhänger eines demokratischen Sozialismus und wollten nach der Rückkehr aus dem Exil mit ihrer Kunst einen Beitrag zum Aufbau einer neuen Gesellschaft leisten. Doch vor allem Dessau, dessen vielfältige Einflüsse von der Operette über Filmmusik bis hin zur Zwölftonmusik reichten, zog wegen seines musikalischen Stils immer wieder die Kritik der Obrigkeit auf sich. Auch den „Lukullus“ beäugten die Mächtigen in Ostberlin kritisch, warfen dem Komponisten in einem Schauprozess „Formalismus“ vor – ein künstlerisches Todesurteil im sozialistischen Realismus. Dessau grenzte sich im „Lukullus“ – genau wie in allen seinen Bühnenwerken – vom Opernstil des 19. Jahrhunderts ab: eine stark an der Sprache orientierte Melodik, statt musikalischer Schwelgerei ein kühles, kontrastreiches Klangbild, das den Prozessum den toten Lukullus als pralle Theatermusik lebendig werden lässt. Nicht gedankenlose Weltflucht, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit der Bühnenhandlung und die Einnahme eines eigenen Standpunkts sind das Ziel.

Auf die hohen Streicher und die Holzbläser verzichtet Dessau daher konsequenterweise und rückt das Schlagwerk in den Vordergrund, reduziert gleichzeitig den Klang immer wieder. Transparenz und Nüchternheit sind sein Mantra, aber auch das mitunter ironisch gebrochene Spiel mit historischen Mustern. Von Einfachheit, Volkstümlichkeit und Linientreue jedoch, wie sie die SED-Funktionäre erwarteten, war wenig zu hören. Kein Wunder also, dass der Machtapparat zur Uraufführung im Berliner Admiralspalast am 17. März 1951 seine instruierten Funktionäre schickte, um Stimmung gegen das Stück zu machen. Doch der politische Plan scheiterte und das Publikum bereitete dem „Lukullus“ einen Triumph, womit der Skandal seinen Lauf nahm, denn der Obrigkeit war dieser Publikumszuspruch nicht geheuer; ein Verbot des Stücks drohte. Dessau und Brecht mussten zum Rapport. Staatspräsident, Ministerpräsident und Volksbildungsminister machten den Künstlern daraufhin „Vorschläge“ zur Überarbeitung der Oper. Vor allem die dezidiert pazifistische Haltung des „Lukullus“ und die Kritik an allen militärischen Machthabern.
Mit seiner farbenprächtigen Vertonung schuf Paul Dessau 1951 einen wahren Publikumshit, der in den vergangenen Jahrzehnten in Vergessenheit geriet und nun erstmals in Stuttgart gezeigt wird.
Was geht uns Heutige ein Feldherr aus dem antiken Rom an, der sich im Jenseits vor Gericht für seine Taten verantworten muss? Und sind die Fragestellungen eines Bertolt Brecht nach der Veränderbarkeit der Verhältnisse, dessen Text die Grundlage für Paul Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“ ist, noch die unseren? Im Gegenteil: Mit seiner farbenprächtigen Vertonung schuf Paul Dessau 1951 einen wahren Publikumshit, der in den vergangenen Jahrzehnten in Vergessenheit geriet und nun erstmals in Stuttgart gezeigt wird. Höchste Zeit für die Neuentdeckung eines faszinierenden Werks!

Bereits 1939 entstand dieser „Lukullus“ als Hörspiel Bertolt Brechts, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs bearbeitete Dessau das Stück zur Oper, zunächst als Funkoper für den Nordwestdeutschen Rundfunk, bald jedoch auch für die Bühne – der Auftrag kam von der Berliner Staatsoper. Brechts Stück setzt mit dem Trauerzug für den toten Feldherrn Lukullus ein, der kurz danach an der Pforte des Totenreichs auf seine Beurteilung durch ein jenseitiges Gericht wartet. Doch statt für seine militärischen Erfolge gepriesen zu werden, sieht sich Lukullus unbequemen Nachfragen von Vertretern aus den Reihen des einfachen Volkes ausgesetzt, bei denen es im Kern um das Leid geht, das immer mit Krieg und militärischem Erfolg einhergeht. Die Perspektive auf die Opfer ist es dann auch, die am Ende zum vernichtenden Urteil gegen Lukullus führt: „Ins Nichts mit ihm“. Ruhm und Macht des Erfolgreichen sind vergänglich und das Volk richtet über den tatsächlichen Stellenwert des scheinbar Mächtigen.

Geschichte befragen, nach Neuem suchen


Der Dichter Bertolt Brecht und der Komponist waren überzeugte Anhänger eines demokratischen Sozialismus und wollten nach der Rückkehr aus dem Exil mit ihrer Kunst einen Beitrag zum Aufbau einer neuen Gesellschaft leisten. Doch vor allem Dessau, dessen vielfältige Einflüsse von der Operette über Filmmusik bis hin zur Zwölftonmusik reichten, zog wegen seines musikalischen Stils immer wieder die Kritik der Obrigkeit auf sich. Auch den „Lukullus“ beäugten die Mächtigen in Ostberlin kritisch, warfen dem Komponisten in einem Schauprozess „Formalismus“ vor – ein künstlerisches Todesurteil im sozialistischen Realismus. Dessau grenzte sich im „Lukullus“ – genau wie in allen seinen Bühnenwerken – vom Opernstil des 19. Jahrhunderts ab: eine stark an der Sprache orientierte Melodik, statt musikalischer Schwelgerei ein kühles, kontrastreiches Klangbild, das den Prozess um den toten Lukullus als pralle Theatermusik lebendig werden lässt. Nicht gedankenlose Weltflucht, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit der Bühnenhandlung und die Einnahme eines eigenen Standpunkts sind das Ziel.

Auf die hohen Streicher und die Holzbläser verzichtet Dessau daher konsequenterweise und rückt das Schlagwerk in den Vordergrund, reduziert gleichzeitig den Klang immer wieder. Transparenz und Nüchternheit sind sein Mantra, aber auch das mitunter ironisch gebrochene Spiel mit historischen Mustern. Von Einfachheit, Volkstümlichkeit und Linientreue jedoch, wie sie die SED-Funktionäre erwarteten, war wenig zu hören. Kein Wunder also, dass der Machtapparat zur Uraufführung im Berliner Admiralspalast am 17. März 1951 seine instruierten Funktionäre schickte, um Stimmung gegen das Stück zu machen. Doch der politische Plan scheiterte und das Publikum bereitete dem „Lukullus“ einen Triumph, womit der Skandal seinen Lauf nahm, denn der Obrigkeit war dieser Publikumszuspruch nicht geheuer; ein Verbot des Stücks drohte. Dessau und Brecht mussten zum Rapport. Staatspräsident, Ministerpräsident und Volksbildungsminister machten den Künstlern daraufhin „Vorschläge“ zur Überarbeitung der Oper. Vor allem die dezidiert pazifistische Haltung des „Lukullus“ und die Kritik an allen militärischen Machthabern mussten auf Geheiß von oben entschärft werden.

Heutiger Blick auf historisches Werk


An der Staatsoper Stuttgart wird diese Oper nun von einem Künstlerkollektiv inszeniert, das sich wenig pazifistisch anmutend „Hauen und Stechen“ nennt. Flache Hierarchien, ein Zugang aus unterschiedlichen ästhetischen Richtungen und ein dezidiert feministischer Blick auf die Kunst und die Welt sind das Markenzeichen der Gruppe, die von Julia Lwowski und Franziska Kronfoth gegründet wurde. In der Inszenierung des „Lukullus“ geht es ihnen darum, zu zeigen, dass Geschichte meist als Geschichte der mächtigen Männer und der Sieger geschrieben wird, dass dies aber immer auch eine Einengung der Perspektive bedeutet. Zugleich wollen „Hauen und Stechen“ das Radikale und Unerbittliche zeigen, das mit der Urteilsfindung einhergeht, ohne die Widersprüche, die sich daraus ergeben, aufzulösen. Am Pult steht einer der ganz Großen der neuen Musik: Bernhard Kontarsky ist der Staatsoper Stuttgart seit 1969 verbunden und leitete hier viele große Werke des 20. Jahrhunderts. Doch selbst für diesen Grandseigneur der Neuen Musik ist Paul Dessaus Musik eine Entdeckung.
– Markus Dippold
Zuerst erschienen in einer Sonderbeilage der Staatstheater Stuttgart in der Stuttgarter Zeitung am 18. Oktober 2021.

Die Verurteilung des Lukullus