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02.10.2019 Wunschkonzert Welche Opern wünscht sich unser Publikum?
Umfrage

Welche Opern wünscht sich eigentlich unser Publikum?

Wir haben nachgefragt. Beim diesjährigen Theaterfest lud der Dramaturgische Außendienst Besucher*Innen in Form einer kleinen Umfrage dazu auf, Wunschopern für die große Bühne anzugeben. So konnte ein Eindruck gewonnen werden, welche Produktionen sich unser Publikum (zurück) auf den Spielplan wünscht.
„Endlich wieder Drama!“ war das Motto des diesjährigen Theaterfests der Staatstheater Stuttgart am Eckensee. „Endlich wieder Minimal Music!“ schien dabei ein Gedanke bei vielen Gästen gewesen zu sein, die uns als „Dramaturgischen Außendienst“ in unserem Pavillon-Wohnzimmer mit rotem Teppich besuchen kamen. Hier gab es neben der Möglichkeit, Geheimnisse zu den Neuproduktionen der Spielzeit zu erfahren (tut mir leid, die gibt es ab jetzt nur noch auf der Bühne in Erfahrung zu bringen!), die Chance, eine Wunsch-Oper für die große Bühne in Stuttgart zu nennen – erstmal aus reinem Interesse, was dabei herauskommt. Wir wussten natürlich, dass die Philipp Glass-Trilogie in der Regie von Achim Freyer (Satyagraha, Akhnaten und Einstein on the Beach) seinerzeit in den 80ern extrem beliebt war. Aber offensichtlich haben diese Inszenierungen eine bestimmte Generation von Opern-Fans nachhaltig geprägt: Satyagraha wurde dabei neben einer Wiederaufnahme der gesamten Trilogie am häufigsten genannt.

In dem Zuge tauchte aber auch ein Revival von Nixon in China auf der Wunschliste auf, ein klares Zeichen dafür, dass auch das in der vergangenen Spielzeit durchaus kalkulierte Anknüpfen an diese Tradition und die Weiterentwicklung des Minimal-Gedankens in Stuttgart Gefallen findet. Philip Glass haben wir aber ehrlich gesagt auch noch nicht ganz hinter uns gelassen, im Gegenteil: Die Junge Oper im Nord (JOiN) bringt schließlich diese Spielzeit am 26. März 2020 Les enfants terribles (Kinder der Nacht) mit Mitgliedern des Opernstudios und Ensemblemitgliedern auf die Bühne des neuen Opernhauses am Löwentor.
Große Bandbreite an Opernrepertoire
Was uns aber tatsächlich am meisten überrascht hat, war die Bandbreite der bei freier Auswahl genannten Stücke. Man muss wahrscheinlich ein wenig auf die Suche gehen, um an anderen Orten auf vergleichbar viel Fantasie und Repertoirekenntnis zu stoßen, wie man sie beim Stuttgarter Publikum findet – jedenfalls macht es doch Spaß, neben den großen Klassikern des Repertoires (Die Zauberflöte) wurde immerhin fünfmal genannt und steht ab dem 12. Mai 2020 wieder auf dem Spielplan, La traviata mit immerhin einer Nennung läuft derzeit im Großen Haus und auch La Bohème  kommt im Dezember zurück!) verschiedene Raritäten oder doch zumindest nicht alleine Zugpferd-Stücke zu finden: Der Barbier von Bagdad von Peter Cornelius beispielsweise, einem Zeitgenossen Franz Liszts, begegnet einem selbst in konventionellen Opernführern eher als Randnotiz.

Hector Berlioz‘ bizarren Monolithen La damnation de Faust wünschte sich jemand zusammen mit seinem Benvenuto Cellini. Bernd Alois Zimmermanns epochemachendes Stück Die Soldaten von 1965 wurde gleich zweimal genannt. Die Gezeichneten von Franz Schreker, der bis zur Diffamierung als „entartet“ durch die Nationalsozialisten einer der meistgespielten Opernkomponisten seiner Zeit und teilweise erfolgreicher als Richard Strauss war, fanden genauso Erwähnung wie die Antikapitalismus-Parabel Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Kurt Weill und Bertolt Brecht. Die Nase von Dmitri Schostakowitsch fand zweifache Erwähnung, Leonard Bernsteins groteskes Musical-Operetten-Crossover Candide findet sich auch auf der Liste.
Intendant Viktor Schoner und Chefdramaturg Ingo Gerlach beim Theaterfest.
Die Dramaturg*innen im Gespräch mit dem Publikum.
Interesse am 20.Jahrhundert
Auch wenn diese Befragung nicht wirklich als repräsentativ gelten kann, ist das Balsam für die Dramaturgenseele: Das Stuttgarter Publikum interessiert sich für das 20. Jahrhundert! Ein paar Nennungen haben uns aus unterschiedlichen Gründen auch zum Schmunzeln gebracht, und ich erkläre gerne warum: Wer sich z.B. „Ein Stück von G. Meyerbeer“ gewünscht hat verbunden mit dem Zusatz „(Schwelgen in einer Grand Opéra!)“ darf sich natürlich jetzt schon auf die Premiere von Verdis Don Carlos am 27. Oktober freuen! Mefistofele (auch ein Wunsch!) steht ab dem 9. April 2020 wieder auf dem Spielplan und gibt dem Staatsopernchor wieder die Gelegenheit, zu beweisen, warum er zurecht zum 12. Mal zum „Opernchor des Jahres“ in der Kritikerumfrage der Opernwelt gewählt wurde.

Pagliacci von Ruggero Leoncavallo entfallen zwar in unserer Neuproduktion am Ende dieser Spielzeit als beliebtes Folgestück zu Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Eifersuchts-Thriller Luci mie traditrici (Meine verräterischen Augen) des Italieners Salvatore Sciarrino, der den zweiten Teil des Abends in der Regie von Barbara Frey bildet, diesem Verismo-Schocker in nichts nachsteht.
Wunsch nach Barockopern
Auch aus dem Barockzeitalter gibt es verschiedene Wünsche: Il trionfo del tempo e del disinganno von G.F. Händel nehmen wir zwar diese Spielzeit nicht wieder auf und auch L’Orfeo von Claudio Monteverdi haben wir bisher nicht im Spielplan. Aber vielleicht interessiert dann ja doch unsere Frühjahrs-Premiere von Antonio Vivaldis Oratorium sacrum militare Juditha triumphans mit einer rein weiblichen Besetzung. Und auch, wer sich Dido and Aeneas von Henry Purcell gewünscht hat, darf sich auf eine JOiN-Produktion freuen: Am 13. Juni 2020 kommt hier Artus zur Uraufführung, eine Semi-Oper mit Soundscapes für alle ab 10 Jahren.

Herzliches Dankeschön an alle für die Teilnahme an dieser kleinen Umfrage!

Text: Franz-Erdmann Meyer-Herder