Alcina

von Georg Friedrich Händel
Dramma per musica in drei Akten
Libretto nach Motiven aus Ludovico Ariostos Orlando furioso

in italienischer Sprache
„I put a spell on you / Because you’re mine.“ In einem vielfach gecoverten Song brachte Screamin’ Jay Hawkins 1956 den Zusammenhang zwischen Begehren, Besitzanspruch und Zauberei auf eine treffende Formel. Mit ihr lässt sich auch beschreiben, was Händels Zauberin Alcina mit dem desertierten Krieger Ruggiero vorhat: Möglichst für immer will sie ihn in ihren Armen halten, wo er sein früheres Leben und seine Verlobte Bradamante bereitwillig vergisst. Auch umgekehrt scheint Alcina von Ruggiero wie verhext. Bradamante wiederum, die Ruggiero zurückerobern will, ist sich sicher, dass beider Liebe eine große Selbsttäuschung ist. In Jossi Wielers und Sergio Morabitos legendärer Inszenierung taumeln alle Figuren auf Alcinas Zauberinsel zwischen Verführung und Zurückweisung, Hingabe und der Angst vor den trügerischen eigenen Gefühlen.

Ort
Opernhaus
Dauer
1. Teil: 1 Std. 15 Min
Pause (nach 3. Szene /II. Akt): 30 Min.
2. Teil: 1 Std. 20 Min.
Uraufführung
1735 in London

Premiere dieser Produktion
1998
Altersempfehlung
ab Klasse 8
45 Minuten vor Vorstellungsbeginn findet eine Einführung im Foyer I. Rang statt.
Das Stück in Kürze
Ruggiero, der Alcina in Liebe verfallen ist, hat nicht nur seine militärische Laufbahn aufgegeben, sondern auch seine Verlobte Bradamante verlassen, um mit Alcina ein neues Leben zu führen. Deren Insel ist der Zufluchtsort ihrer nicht gesellschaftskonformen Liebe. Doch seine Vergangenheit ist Ruggiero in Gestalt von Bradamante, die ihn liebt und zurückgewinnen möchte, und Melisso, der ihn braucht, um den bevorstehenden Krieg gewinnen zu können, auf der Spur.
Handlung
Erster Teil

Zwei Fremde haben den Weg verloren.
Von Morgana erfahren sie, daß sie sich im Herrschaftsbereich Alcinas, Morganas Schwester, befinden, Morgana ist von dem Jüngeren der Beiden fasziniert. Dieser läßt sich auf einen Flirt mit ihr ein.

Eine kleine Gruppe Menschen versammelt sich und begrüßt die Neuankömmlinge im „Paradies auf Erden“. Diese stellen sich als Melisso und Ricciardo vor. Alcina gewährt ihnen Gastrecht und bittet ihren Geliebten Ruggiero, von der überwältigenden Liebeserfüllung, die sie und ihn beseelt, zu berichten.

Der Knabe Oberto wendet sich mit der Frage nach dem Verbleib seines Vaters erfolglos an Melisso und Riociardo. Sobald sie mit Ruggiero allein sind, geben sie sich als seine Waffenkameraden zu erkennen. Ricciardo klagt die Ehre seiner Zwillingsschwester Bradamante ein: Ruggiero ist mit ihr verlobt und hat sie für Alcina verlassen. Ruggiero erklärt, daß der Bruch mit seinem früheren Leben endgültig sei.

Ricciardo hat durch seinen Flirt mit Morgana die Eifersucht ihres Verlobten Oronte erregt: Dieser fordert ihn zum Duell. Morgana stellt sich schützend vor Ricciardo und trennt sich von Oronte. Um den Rivalen loszuwerden, konfrontiert Oronte Ruggiero mit der Behauptung, Alcina hätte mit Ricciardo ein Verhältnis, und spielt auf das Vorleben Alcinas an: Sie habe sich zahlloser Liebhaber durch deren Verwandlung in Tiere entledigt; Ruggiero müsse damit rechnen, der nächste zu sein.

Ricciardos zweideutiges Verhalten scheint Orontes Unterstellung zu bestätigen. Alcina reagiert auf Ruggieros Eifersuchtsausbruch mit Fassungslosigkeit.

Ricciardo will sich Ruggiero zu erkennen geben: In Wirklichkeit ist „er“ Bradamante, die sich in Männerkleidung selbst auf den Weg gemacht hat, um ihn, den Verlobten, zurückzugewinnen. Melisso verhindert die vorschnelle Demaskierung.

Ruggieros Verzweiflung über die Erfahrung des ersten Vertrauensverlustes zu Alcina entlädt sich als Aggression gegen den vermeintlichen Nebenbuhler Ricciardo. Dann eilt er davon, um von Alcina dessen Verwandlung in ein Tier zu verlangen. Nur Morgana kann Bradamante jetzt noch retten. So muß diese weiterhin als Ricciardo eine männliche Identität und Liebe heucheln.

Bradamantes Begleiter Melisso verfolgt eigene Ziele: Er will Ruggiero als Soldat zurückgewinnen, ohne den der anstehende Krieg nicht zu gewinnen ist. So terrorisiert er Ruggiero in Gestalt von dessen Erzieher Atlante. Angesichts von Ruggieros Unfähigkeit, sich von der Liebe zu lösen, steckt ihm Melisso einen Ring an den Finger, der seinen inneren Widerstand bricht. Anschließend instrumentalisiert er die erwachenden Gewissensbisse Ruggieros Bradamante gegenüber: Der moralische Druck soll ihn wieder kriegstauglich machen.

Melisso hat Ruggiero die Anwesenheit Bradamantes in Alcinas Reich und die Gefahr, in der sie schwebt, verschwiegen. Als diese nun auf ihn zutritt, gerät er außer sich: Er glaubt, Alcina zu erkennen, die sich in Bradamante verwandelt hat, um ihn zu halten.

Alleingeblieben wird Ruggiero seines völligen Verlustes von Identität und Orientierung gewahr.
Zweiter Teil

Um ihre Liebe zu retten, hat sich Alcina von Ruggiero dazu drängen lassen, Ricciardos Verwandlung zu betreiben. Doch dieser erklärt nun, daß bereits ihre Bereitschaft dazu seine Zweifel an ihrer Treue zerstreue. Als auch Morgana ihre Beziehung zu Ricciardo gesteht und ihre Schwester anfleht, ihr diesen einen Mann zu lassen, läßt sie von Ricciardo alias Bradamante ab.

Wie Melisso es ihm befohlen hat, bittet Ruggiero Alcina um die Erlaubnis, auf die Jagd gehen zu dürfen. Es gelingt ihm, ihre Unruhe mit einem leidenschaftlichen Liebesbekenntnis zu beschwichtigen, dessen eigentliche Adressatin Bradamante ist.

Alcina erschrickt über Obertos Frage nach seinem Vater. Sie überspielt ihre Unsicherheit, indem sie dem Jungen ein baldiges Wiedersehen mit diesem verspricht. Oronte meldet die Fluchtvorbereitungen Ruggieros. Schlagartig begreift Alcina dessen Verhalten. An seinem Liebesverrat droht sie zu zerbrechen. Morganas Vertrauen zu Ricciardo hingegen ist nicht zu erschüttern. Erst als sie Zeugin einer Liebesszene zwischen „ihm“ und Ruggiero wird, bricht sie zusammen.

Ruggiero und Bradamante nehmen von den Opfern ihrer emotionalen Täuschungen und Selbsttäuschungen Abschied. Alcinas verzweifelte Versuche, ihren Zauber und ihre Liebe zu beschwören, scheitern.
Die Nacht bricht an. In Träumen nehmen zunächst die Hoffnungen, dann die Ängste der Schlafenden Gestalt an. Am Ende steht die unabweisbare Gewißheit, daß auch Ruggiero zu den Opfern des kommenden Krieges zählen wird.
Oronte demütigt Morgana und ihre unmögliche Liebe. Morgana flüchtet sich in die Sicherheit der alten Beziehung.
Anders als Alcina ist Ruggiero nicht in der Lage, über das Geschehene zu reflektieren. Empört und ernüchtert über das Ausmaß seiner Fremdbestimmtheit, befiehlt ihm Alcina zu gehen und macht ihm klar, daß dieser Abschied endgültig sei.

Ruggiero realisiert, daß es für ihn kein Zurück mehr gibt, nur noch ein Vorwärts in die Schlacht.
In der Verzweiflung gewinnt Alcina einen Abstand zu ihrer Liebe.
Obertos Vater ist in Alcinas Herrschaftsbereich eingedrungen. Mit Hilfe seines Sohnes rächt er sich an der ehemaligen Geliebten für seine Abhängigkeit.

Die Träume werden Wirklichkeit. Bradamante erscheint als Ruggieros Braut, Alcinas verzweifeltem Versuch, an das gemeinsame Wissen um Ruggieros Ende zu erinnern und seinen Tod dadurch abzuwenden, werden niedere Beweggründe unterstellt: Unbegreiflich erscheint die Tatsache, daß Alcina dem Paar nicht nur ohne Haß, sondern auch voll Sorge um sein Glück entgegentritt.

Noch einmal kreuzen sich die Wege der „falschen“ Paare Alcina - Ruggiero und Morgana - Bradamante. Melisso nimmt dem immer noch zaudernden Ruggiero die Entscheidung ab.

Audio-Einführung

Trailer

Bildergalerie

"Dass die Stuttgarter Alcina zum Kultstück avanciert ist, liegt an der detailreichen Präzision, mit der Wieler und Morabito die psychologischen Motive im magischen Spiegel-Bühnenbild Anna Viebrocks herausgearbeitet haben."
Die Ludwigsburger Kreiszeitung
11.10.2011
“Alcina ist eine der schönsten, wahrhaftigsten, aber auch schonungslosesten Aufführungen der letzten Zeit.”
Süddeutsche Zeitung
18.05.1998
“Der Stuttgarter Wunder größtes ist indessen die Offenbarung Händels als einer der intimsten Kenner im Labyrinth der menschlichen Herzen.”
Opernwelt
07/1998
“Die Reise nach Stuttgart lohnt sich.”
Die Welt
18.05.1998
“Surreal erwacht hier der Geschlechterkampf zum prallen Leben.”
Neue Zürcher Zeitung
18.05.1998
“In der Staatsoper wird Alcina, die Geschichte von Lug und Trug zu einem triumphalen Ereignis.”
Südwest Presse
18.05.1998
“Das Regieteam Jossi Wieler und Sergio Morabito, dazu Anna Viebrock, die Bühne und Kostüme bestellte, setzte auf eine figurenbetonende, entrümpelte Inszenierung.”
Südkurier
18.05.1998
“Selten gespielt - und selten so schön wie in Stuttgart. Händels große Oper Alcina bekommt in Jossi Wielers Regie etwas durch und durch Wahrhaftiges.”
Stuttgarter Zeitung
18.05.1998