Saint François d’Assise

von Olivier Messiaen
Oper in drei Akten und acht Bildern
Libretto vom Komponisten
in französischer Sprache
Olivier Messiaens Szenen über den Heiligen Franziskus von Assisi ist weniger eine Oper, als vielmehr ein Oratorium oder noch eher: ein Ritual, für das Messiaen eine der klangfarbenreichsten, beeindruckendsten und schillerndsten Partituren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Das Team um Dirigent Titus Engel und die Regisseurin Anna-Sophie Mahler wird dieses monumentale Werk auf ganz besondere Weise angehen: Der erste Akt und der letzte Akt wird im Opernhaus gespielt, dazwischen begibt sich das Publikum mit dem Staatsorchester, dem Staatsopernchor und den Solist*innen auf Pilgerreise durch den Stadtraum. Mit Kopfhörern, aber auch als Open-Air vor dem Opernhaus und auf der Freilichtbühne Killesberg wird dieses Werk ganz anders als gewohnt zu erleben und zu er-hören sein. Eine Pilgerreise mit Messiaen und ein Kreuzweg in die Natur, um die Natur ins Opernhaus zu holen. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg?
Dauer
ca. 8 Stunden inkl. Pausen
(unter Vorbehalt)

Uraufführung
1983 in Paris

Altersempfehlung
ab Klasse 9
45 Minuten vor Vorstellungsbeginn findet eine Einführung im Foyer I. Rang statt.

Die Veranstaltung beginnt am frühen Nachmittag und geht bis in den späten Abend. Sie findet teilweise im Freien statt. Wir empfehlen daher bequemes Schuhwerk und ggf. regenfeste Kleidung. Wir bitten außerdem zu beachten, dass der Weg zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten im öffentlichen Raum teilweise zu Fuß zurück gelegt wird und nicht an allen Stationen Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Einen genauen Ablaufplan mit Wegbeschreibung zum Killesberg sowie eine Packliste für Ihre Pilgerreise durch die Stadt finden Sie hier:
Mehr dazu
„Ich habe Angst, habe Angst, Angst vor dem Weg, davor, dass die Fenster größer und dunkler werden, dass sich die Blätter des Weihnachtssterns nicht rot färben“, gesteht Bruder Léon Franz von Assisi. Angst davor, dass die Zeiten sich ändern, Angst vor dem Ungewissen, vor dem Ausbleiben des Lichts im Dunkeln. Franz’ Antwort: Man muss den Schmerz suchen, sich auflösen, wenn man eins werden will mit etwas anderem. Mit der Schöpfung zum Beispiel. Oder dem Schöpfer. Man muss sich selbst überwinden und hinter sich lassen. Das ist natürlich nicht die Art von Trost, die sich Bruder Léon gewünscht hat. Ebenso wenig ist der Vorschlag zu verschwinden das, was wir uns als Lösungsansatz für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wünschen. Aber Franz von Assisi war eben kein „Das wird schon werden“-Beruhiger, sondern visionär in seinem Denken und radikal in seinen Forderungen. Nicht nur deswegen wurde er 1992 vom „Time Magazine“ in der Rückschau auf das sich dem Ende neigende Millennium auf die Liste der einflussreichsten Menschen der letzten tausend Jahre gesetzt. Der französische Komponist Olivier Messiaen war nicht nur tiefreligiös, sondern auch ein leidenschaftlicher Vogelkundler. Die zunehmende Bedeutung des Metaphysischen oder das Verstehen-Können des Unsagbaren, das seine einzige Oper kennzeichnet, findet einen frühen Höhepunkt folgerichtig in einer Vogelpredigt. Und ebenso wie diese Vogelpredigt, sind die gesamten „Franziskus-Szenen“ weniger eine Oper, als vielmehr ein Oratorium oder noch eher: ein Ritual, für das Messiaen eine der klangfarbenreichsten, beeindruckendsten und schillerndsten Partituren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Regisseurin Anna-Sophie Mahler, die 2019 Brecht / Weills Sieben Todsünden mit Seven Heavenly Sins von Peaches zusammengebracht hat, nimmt uns mit auf einen Kreuzweg in die Natur, um die Natur ins Opernhaus zu holen. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg?
Die Produktion Saint François d’Assise wird durch
die Baden-Württemberg Stiftung gefördert.
In Kooperation mit

Das Stück in Kürze
François erklärt, dass „la joie parfaite“, die vollendete Freude, alles andere als einfach zu erreichen sei. Der Weg zu ihr führe durch den Schmerz und setze voraus, dass man in der Lage sei, sich selbst, seinen Körper und die eigene Unzulänglichkeit, zu überwinden. Dementsprechend sucht er die Begegnung mit dem, was ihm am meisten Angst macht: die entstellten Körper der Lepra-Kranken. François trifft auf einen Aussätzigen, den er umarmt und küsst, woraufhin dieser von der Krankheit geheilt wird. François begegnet einem Engel, der ihn die Musik des Unsichtbaren hören lässt. Nach der Begegnung mit dem Engel predigt François nicht nur seinen Brüdern, sondern auch den Vögeln. François’ Körper beginnt sich zu verwandeln. Er überwindet sein altes Leben und lässt eine sterbliche Hülle hinter sich.
Handlung
Ort der Handlung ist das Italien des frühen 13. Jahrhunderts. Das Thema jedes einzelnen Bildes ist den Fioretti und den Betrachtungen über die Stigmata, beides Schriften anonymer Franziskanermönche des 14. Jahrhunderts, entlehnt. Sieben Personen treten auf: der Engel, der heilige Franziskus, der Aussätzige, Bruder Élie sowie drei weitere Brüder – Léon, Massée und Bernard – die Franziskus besonders geliebt hat. Im Verlauf des Stückes soll die zunehmende Gnadenfülle in der Seele des heiligen Franziskus offenbart werden.

1. Akt
Erstes Tableau — Das Kreuz
Franziskus erklärt Bruder Léon, dass man um der Liebe Christi willen alle Widersprüche und alle Leiden geduldig ertragen müsse und dass darin die „vollkommene Freude“ liege.

Zweites Tableau — Die Laudes
Nach der Rezitation des Morgenoffiziums durch die Brüder bleibt Franziskus allein zurück; er bittet Gott um die Begegnung mit einem Aussätzigen und um die Fähigkeit, ihn zu lieben.

Drittes Tableau — Der heilige Franziskus küsst den Aussätzigen
Ein Leprosenheim. Ein schrecklich abstoßender Aussätziger, bedeckt mit Blutflecken und Beulen, lehnt sich heftig gegen sein Leiden auf. Franziskus kommt, er setzt sich neben den Aussätzigen und spricht sanft zu ihm. Ein Engel erscheint vor dem Fenster und ruft: „Aussätziger, dein Herz klagt dich an, doch Gott ist größer als dein Herz.“ Verwirrt durch die Engelsstimme und die Güte des heiligen Franziskus überkommen den Aussätzigen Gewissensbisse wegen seiner Heftigkeit. Franziskus küsst den Aussätzigen. Das Wunder geschieht, der Aussätzige ist geheilt! Freudentanz des Aussätzigen. Bedeutsamer jedoch als die Heilung des Aussätzigen ist die immer größer werdende Gnade in der Seele des heiligen Franziskus und der Jubel über seine Selbstüberwindung.

2. Akt
Viertes Tableau — Der wandernde Engel
Ein Waldpfad auf dem Berg La Verna. Der Engel erscheint auf dem Weg. Sein prächtiges Gewand mit den fünffarbigen Flügeln ist nur für das Publikum sichtbar. Die Darsteller halten ihn für einen Wanderer. Das zarte Klopfen des Engels an die Klosterpforte macht einen gewaltigen Lärm, der das Hereinbrechen der Gnade symbolisiert. Bruder Massée öffnet das Tor. Der Engel stellt Bruder Élie, dem Vikar des Ordens, eine Frage über die Vorsehung. Bruder Élie verweigert die Antwort und weist den Engel hinaus. Der Engel klopft wieder an die Pforte und stellt neuerlich seine Frage nach der Vorsehung, diesmal Bruder Bernard, der mit großer Weisheit darauf antwortet. Nach dem Abgang des Engels schauen Bruder Bernard und Bruder Massée einander an und meinen: „Vielleicht war es ein Engel …“
Fünftes Tableau — Der musizierende Engel
Der Engel erscheint dem heiligen Franziskus und spielt auf seiner Fidel, um ihm eine Vorahnung auf die himmlische Glückseligkeit zu geben. Dieses Solo ist von solcher Zartheit, dass der heilige Franziskus das Bewusstsein verliert.

Sechstes Tableau — Die Vogelpredigt
Wir sind in Assisi. Man sieht eine hohe, immergrüne Eiche. Es ist Frühling, und viele Vögel singen. Der heilige Franziskus, in Begleitung von Bruder Massée, predigt zu den Vögeln und segnet sie feierlich. Die Vögel antworten in einem großen Konzert, in dem man nicht nur die Vögel Umbriens – besonders die Capinera, eine Mönchsgrasmücke – hört, sondern auch Vögel fremder Länder und ferner Inseln, vor allem der Île de Pins nahe Neukaledonien.

3. Akt
Siebentes Tableau — Die Stigmata
Nacht. In der Gegend von La Verna. Eine Höhle unter einem Felsüberhang. Der heilige Franziskus ist allein. Ein großes Kreuz erscheint. Man hört fast ständig die Stimme Christi, symbolisiert durch den Chor. Fünf Lichtstrahlen gehen vom Kreuz aus und fallen allmählich und unter demselben gewaltigen Lärm, der das Klopfen des Engels an die Pforte begleitete, auf beide Hände, die Füße und die rechte Seite des heiligen Franziskus. Diese fünf Wunden, gleichsam eine Wiedergabe der fünf Wundmale Christi, sind die göttliche Bestätigung der Heiligkeit des Franziskus.

Achtes Tableau — Der Tod und das Neue Leben
Der heilige Franziskus liegt sterbend auf dem Boden; alle Brüder knien um ihn. Er nimmt Abschied von allem, was er geliebt hat, und er singt die letzte Strophe seines „Sonnengesanges“, die Strophe von „unserem Bruder, dem leiblichen Tod“. Die Brüder rezitieren den 141. Psalm. Der Engel und der Aussätzige erscheinen dem heiligen Franziskus, um ihn zu trösten. Franziskus spricht seine letzten Worte: „Herr! Musik und Poesie haben mich in deine Nähe geführt …blende mich für immerdar durch deine Überfülle an Wahrheit…“ Er stirbt. Die Glocken läuten. Alles entschwindet. Während der Chor von der Auferstehung singt, fällt ein Lichtstrahl auf jene Stelle, wo zuvor der Körper des heiligen Franziskus lag. Das Licht wird blendend bis zur Unerträglichkeit. Der Vorhang fällt.

Olivier Messiaen

Trailer

Bildergalerie

„Was musikalisch hier passiert, ist von allergrößter Großartigkeit, Titus Engel dirigiert dieses hochkomplexe Konstrukt mit stupender Selbstverständlichkeit.“
Süddeutsche Zeitung
Egbert Tholl, 13.06.2023
„‚Saint François d’Assise‘ [...] – in einem mutigen, risikofreudigen, ja spektakulären Projekt.“
nachtkritik.de
Verena Großkreutz, 11.06.2023
„Michael Mayes als Franz eine Sensation. So warm, so mitfühlend, mit so großer Leichtigkeit singt er die schwere Partie.“
Nachtkritik.de
Verena Großkreutz, 11.06.2023
„Oper als Happening – als meditative Erfahrung und Gemeinschaftserlebnis, von mittags um zwei bis abends um zehn.“
Südwest Presse
Jürgen Kanold, 13.06.2023
„Messiaens Musik wird zum Naturhymnus.“
Süddeutsche Zeitung
Egbert Tholl, 13.06.2023
„Grandiose spirituelle Leuchtkraft entfaltet auch der Chor.“
Nachtkritik.de
Verena Großkreutz, 11.06.2023

Auszug aus dem Programmheft

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