Keine Angst vorm Heiligen Franz!

Wenn am 11. Juni Olivier Messiaens „Saint François d’Assise“ im Opernhaus und im Stadtraum Premiere feiert, gibt es ein Werk der Superlative zu entdecken. Acht Gründe, warum Sie sich dieses faszinierende Werk auf keinen Fall entgehen lassen sollten!
Gut gelauntes Team-Foto zu Beginn der Probenzeit: die Sänger*innen und das Produktionsteam sowie Mitarbeitende des Hauses beim Konzeptionsgespräch.

Ein Once-in-a-lifetime-Erlebnis

Die Gelegenheit diese Oper zu sehen, gibt es nur alle paar Jahre – weltweit! Wenn sich ein Opernhaus an dieses musikalisch, inhaltlich und logistisch komplexe Werk macht, bedeutet das für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Entsprechend selten ist Saint François d’Assise zu erleben – und in Stuttgart war dieses Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts bisher überhaupt noch nie zu sehen. Aber Achtung: Im Juni und Juli wird es nur fünf Aufführungen geben – und die Produktion bleibt nicht im Repertoire!
Sitzprobe mit Soli, Staatsopernchor und Staatsorchester im Probenzentrum: Über 200 Personen sind bei dieser Produktion beteiligt.

Oper als Klangrausch

Saint François d’Assise ist ein Werk der Superlative: Über 200 Sänger*innen und Musiker*innen sind an unserer Aufführung beteiligt – ein so großes Orchester saß seit den 1980er Jahren (bei der legendären Aufführung von Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten) nicht mehr im Orchestergraben des Opernhauses! Aber was heißt schon Orchestergraben: Die mehr als 100 Musiker*innen des Staatsorchesters sitzen bei dieser Produktion auch auf der Bühne – schlicht, weil der übliche Platz nicht ausreicht. Und so wird Messiaens Klangrausch nicht nur akustisch, sondern auch visuell erfahrbar: zum Beispiel, wenn Sie den neun Schlagzeugern oder den Ondes-Martenot-Spielern bei ihren hochvirtuosen Partien auf die Finger schauen können. Oder wenn Ihnen der rund hundertköpfige Staatsopernchor das finale Verklärungs-C-Dur („Joie!!!“ – „Freude“ ist hier in der Tat mit drei Ausrufezeichen notiert) entgegen singt, ist das eine mit Sicherheit unvergessliche Klangerfahrung!
Vögel als Elemente des Bühnenbilds: Ihre Stimmen tauchen auch in Messiaens Partitur auf.

Eine Feier der Natur

Der Heilige Franziskus wird als Schutzpatron der Tiere und des Naturschutzes verehrt. Sein berühmter, auch in Messiaens Oper immer wieder zitierter Sonnengesang ist ein emotionaler Lobpreis der Schöpfung, in der sich die Allmacht Gottes zeigt. Eigentlich ist es da nur folgerichtig, eine Oper über Franziskus nicht nur in einem dunklen Opernhaus aufzuführen, sondern damit wirklich in die Natur zu gehen. Lassen Sie uns gemeinsam aufbrechen – und die Vogelpredigt gemeinsam mit echten Vögeln auf der Freilichtbühne auf dem Killesberg erleben! 41 Vogelstimmen hat Messiaen, der auch Ornithologe war, in seiner Oper verwoben. Wir geben Hilfestellung, sie alle zu entdecken!
Die Sänger*innen des Staatsopernchors Stuttgart bei einer szenischen Probe

Eine Feier der Gemeinschaft

Oper ist eine Kunstform des Kollektivs: der synchron atmende Chor, das gemeinsam musizierende Orchester, ganz zu schweigen von den Soli und all den Händen im Hintergrund! Am Wichtigsten ist jedoch das Publikum, das der Aufführung (hoffentlich gebannt) folgt. Aber was wäre, wenn die Zuschauer*innen nicht nur stumm im Opernhaus nebeneinander säßen? Was, wenn sie ins Gespräch kämen und sich durchs gemeinsame Erleben vernetzen würden? Bei unserem Saint François d’Assise wollen wir genau das versuchen: Alle Zuschauer*innen werden Teil eines Rituals, die Aufführung zur Feier der Gemeinschaft, der Spiritualität und der Natur! Bereits im Vorfeld haben wir zu partizipativen Aktionen aufgerufen: zum Stricken am Bühnenbild und zum Spenden von Kapuzenpullovern. Machen Sie sich nun selbst ein Bild, was daraus geworden ist!
Der Tod des Heiligen Franziskus: Michael Mayes und die Solist*innen sowie der Staatsopernchor auf der Probebühne

Für Gläubige und Nicht-Gläubige

Messiaens Oper hat keine Handlung im eigentlichen Sinn. Die sieben Bilder sind eher Meditation oder kontemplative Übung und bilden weniger konkrete dramatische Ereignisse ab. Erzählt werden sieben Episoden aus dem Leben des Heiligen – von seiner Akzeptanz des Leids als Teil des menschlichen Lebens über die Begegnung mit einem Engel bis hin zu Stigmata und Tod. Der Komponist selbst fasste die Handlung so zusammen: „Am Anfang ist er Franziskus. Dann wird er nach und nach der Heilige Franziskus und schließlich der super-Heilige Franziskus.“ Messiaen war gläubiger Katholik, sein Werk zeugt von einer tief empfundenen Gläubigkeit und großer Bewunderung für einen Heiligen, der vielen als Nachfolger Christi gilt. Doch auch alle Nicht-Gläubigen werden in diesem Werk allgemeinmenschliche Themen finden, die uns alle angehen: Wie gehen wir mit der Angst vor der Vergänglichkeit um? Was ist wahre Empathie und Nächstenliebe? Was brauchen wir eigentlich zum Leben? Und schließlich die letzte aller Fragen: Was kommt nach dem Tod?
Ein Teil des Bühnenbilds schlängelt sich durchs Opernhaus... Die hier zu sehenden Elemente wurden durchs Publikum gestrickt und sind Teil des Bühnenbilds auf der Freilichtbühne auf dem Killesberg.

Ein spiritueller Erlebnistag

Unsere Aufführungen beginnen jeweils um 14 Uhr – und dauern acht Stunden. Aber keine Angst: Die eigentliche Aufführungsdauer von Messiaens Oper liegt „nur“ bei rund vier ½ Stunden. Dazwischen wollen wir uns vom Opernhaus aus gemeinsam mit Ihnen auf eine Pilgerreise durch die Stadt begeben – per Bahn und zu Fuß. Und sollte Sie das alles eher skeptisch als neugierig machen: Keine Sorge, alle Besucher*innen der Aufführung werden rundum vom Besucherservice und unseren Guides betreut! Sie werden von Station zu Station geführt, am Abend gibt es bei der Speisung der 1400 noch einen kleinen Imbiss, der im Preis enthalten ist. Und sollten Sie den Weg zum Killesberg nicht per Bahn und zu Fuß zurücklegen können: Wir stellen auch einen Shuttle-Bus zur Verfügung! Alle Informationen zum Ablauf und zur Logistik des Tages finden Sie hier.
Über 300 Hoodies haben die Stuttgarter*innen für
Saint François d’Assise gespendet. Nach der Bearbeitung durch die Kostümabteilung sind sie ab 11. Juni auf der Bühne zu sehen.

Oper als nachhaltige Kunstform

Seien wir ehrlich: Musiktheater als Kunstform ist von Haus aus nicht besonders nachhaltig. Kaum begonnen, ist die Aufführung auch schon vorbei – und zwar unwiderruflich. Das ist natürlich gut so, denn genau dieses nicht wiederholbare Live-Erlebnis macht doch den Reiz eines Opernabends aus. Aber was wäre, wenn man Oper mit all dem Aufwand, den diese Kunstform beinhaltet –von Bühnenbild und Kostümen bis hin zur Anreise des Publikums und der Künstler*innen – so nachhaltig wie nur möglich gestalten würde? Das Team um Regisseurin Anna-Sophie Mahler versucht, bei aller Opulenz, die diesem Werk und der Gattung Oper innewohnt, in seiner Produktion den franziskanischen Ansatz des Verzichts ins Heute zu übertragen: Viele Teile der Bühne stammen aus dem Fundus, das Publikum hat Kapuzenpullis fürs Kostümbild gespendet! Unsere Kooperation mit der SSB sorgt außerdem dafür, dass alle Besucher*innen umweltfreundlich und sicher zum Killesberg kommen – und dank Taktverstärker auch wieder zum Opernhaus zurück.
Unser „Franziskus“ Michael Mayes im Gespräch mit Regisseurin Anna-Sophie Mahler.

Und was sagt Franziskus dazu?

Zugegeben, das wissen wir nicht. Aber unser Franziskus-Darsteller Michael Mayes ist bereits voller Vorfreude auf diese Premiere: „Ich bin überzeugt davon: Diese Produktion wird Maßstäbe setzen! Für mich persönlich bedeutet der Heilige Franziskus eine der anspruchsvollsten Rollen überhaupt, gepaart mit der ambitioniertesten Opernproduktion, von der ich jemals gehört habe. Sind Sie dabei? Diese Produktion wird in die Geschichte eingehen!“

Saint François d’Assise