Generalmusikdirektor Cornelius Meister dirigiert Mitglieder des Staatsorchesters beim Laubenkonzert. Das Video gibt's demnächst bei Oper trotz Corona!

Wir machen weiter!

Der Spielbetrieb der Staatstheater bleibt weiterhin bis mindestens zum 3. Mai eingestellt: keine Aufführungen, kein Publikum im Opernhaus und in den anderen Spielstätten. Aber deswegen den Kopf in den Sand stecken? Auf keinen Fall! Was momentan im Opernhaus passiert, davon berichtet Johannes Lachermeier.
Oper ist eine Kunst des Kollektivs, auf der Bühne, im Publikum und im Orchestergraben: Das gemeinsame Atmen des Chors, die sich Hand in Hand verbeugenden Solist*innen, die Ruhe im ganzen Haus, wenn das Licht erlischt, und der aufbrandende Applaus.
Sie, liebes Publikum, fehlen uns. Das Spielen fehlt. Das volle Opernhaus, die Kolleg*innen, der alltägliche Wahnsinn zwischen Proben und Aufführung – all das fehlt aufs Schmerzlichste.

Seit einem Monat nun hat im Opernhaus keine Vorstellung mehr stattgefunden. Das ist traurig, und besonders zu Beginn der Schließung schien uns das kaum glaublich: Bei der Klavierhauptprobe zu Antonio Vivaldis Juditha triumphans beispielsweise, die eigentlich am 22. März hätte Premiere feiern sollen, flossen bei vielen Beteiligten bittere Tränen. So kurz vor der Premiere, so kurz vor dem gemeinsamen Ziel sollte die Produktion tatsächlich auf Eis gelegt werden? Doch die Befürchtungen wurden Realität: Die Gastkünstler*innen fuhren zu ihren Familien nach Hause, und im Opernhaus verstummten Truhenorgel, Cembalo, Theorben und all die anderen Barockinstrumente.

Doch was nun? Den Kopf in den Sand stecken? „So sind wir nicht, so ist hier niemand,“ äußerte Bariton Björn Bürger kürzlich im Interview mit ZDF heute. Zahllose Initiativen sind seit dem Shutdown entstanden: Ob Wohnzimmerkonzerte, das kollektive Singen und Musizieren der Ode an die Freude, das Nähen von Mund- und Nasenschutzmasken, Konzerte in Seniorenheimen, das breit angelegte Vermittlungsprogramm des JOiN, Spenden für freischaffende Musiker*innen oder natürlich das Oper trotz Corona-Programm auf der Bühne des Opernhauses: All dies sind zahllose Facetten, die allesamt von der Kraft und dem unbedingten Wollen der Mitarbeiter*innnen leben.

Nicht denkbar wären viele dieser Initiativen ohne die Kolleg*innen der Video- und Tonabteilung der Staatstheater: Unmittelbar nach Schließung des Hauses für das Publikum war klar, dass ein Spielbetrieb derzeit nur über das Internet möglich sein würde, also über Videomitschnitte von bestehenden Produktionen oder von neu produzierten Aufzeichnungen. Und so begannen die Aufzeichnungen von kleinen, kammermusikalischen Formaten; zunächst im Foyer, mittlerweile auf der Bühne des Opernhauses. Ohne die Tatkraft, die Kreativität und Akribie der Video- und Tonabteilung wäre eine Fortführung des Spielbetriebs im Web nicht möglich. Insgesamt zwölf Stunden pro Woche wird nun wieder auf der Bühne gespielt – konzertant und natürlich unter der Einhaltung aller nötigen Sicherheitsmaßnahmen: Alle Maßnahmen werden regelmäßig durch den Amtsarzt geprüft.

Auch die Landesbank Baden-Württemberg, seit vielen Jahren treuer Partner der Staatsoper Stuttgart und seit der letzten Saison außerdem ihr Digitalpartner, hat ihr Engagement für das Oper trotz Corona-Programm erhöht und macht damit vieles möglich, was normalerweise nicht denkbar wäre. Ein starkes Zeichen der Verbundenheit, auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten!
Der Zuspruch aus dem Publikum, die schier überwältigenden Reaktionen im Web und der Enthusiasmus der Kolleg*innen – all das sind unschätzbare Motoren in der derzeitigen Situation.

Natürlich hoffen wir alle, bald wieder vor einem vollen Opernhaus für Sie spielen zu können. Mit besetzten Rängen, mit einem vollen Orchestergraben, mit allen Mitgliedern des Staatsopernchors auf der Bühne. Denn natürlich wissen wir: Die physische und emotionale Unmittelbarkeit einer Opernaufführung entfaltet sich nur im Live-Moment. Doch das verbietet sich von selbst – wir alle müssen dafür Sorge tragen, dass sich das Virus nicht unkontrolliert verbreitet.

Trotzdem ist unser Online-Opernhaus mehr als nur ein mageres Substitut für die entfallenden Vorstellungen: Es ist Treibstoff und Motivation für die Künstler*innen, kreative Auseinandersetzung mit dem Medium des Internets und schließlich die Möglichkeit, auch im Web den Live-Moment erfahrbar zu machen.

Oder wie es Generamusikdirektor Cornelius Meister formuliert:
„Aus äußerer Beschränkung ist immer wieder große Kunst erwachsen. Gerade in dieser Zeit der Einschränkung nehmen wir unsere Aufgabe für die Gesellschaft besonders ernst. Kultur ist die Basis unseres Menschseins.“'

Insofern: Auch wenn wir Sie zur Zeit nicht persönlich im Opernhaus begrüßen können, sind wir weiterhin für Sie da. Voller Tatendrang und Kreativität, und hoffentlich mit der gleichen emotionalen Unmittelbarkeit, die der Oper von jeher innewohnt. Und seien Sie versichert: Wir stecken den Kopf auch weiterhin nicht in den Sand – komme da, was Corona wolle!