Sieben Spielzeiten lang hat Elena Tzavara die Geschicke der Jungen Oper gelenkt, hat die Neuausrichtung zum JOiN, zur Jungen Oper im Nord, konzipiert, hat Uraufführungen, Repertoire-Stücke, Outreach-Projekte und partizipative Projekte für das Opernhaus, die eigene Spielstätte und den Stadtraum gestaltet und im JOiN ein Zuhause für eine diverse Gesellschaft geschaffen. Außerdem war sie gemeinsam mit Casting-Direktor Boris Ignatov Leiterin des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Stuttgart. Nun übernimmt sie die Generalintendanz am Theater Aachen. Wir haben mit ihr zum Abschied die vergangenen Jahre Revue passieren lassen.
Beginnen wir doch mal ganz von vorne: Wie war dein Start an der Jungen Oper?
Gleich zu Beginn hatte ich die große Aufgabe, das 20jährige Jubiläum der Jungen Oper vorzubereiten. Damals waren wir noch im Kammertheater – einer Spielstätte, die damals noch von allen drei Sparten genutzt wurde. Zum Jubiläum haben wir dann ein kleines Festival veranstaltet und die Festschrift oder besser das Jubiläumsbuch Forever Young – 20 Jahre Junge Oper Stuttgart herausgebracht. Außerdem gab es die deutsche Erstaufführung von Benjamin, einem Stück mit einem altersübergreifenden Bürger*innen-Chor und vielem mehr! Das war ein wirklich besonderer Einstand!

2018 kam Viktor Schoner als neuer Intendant der Staatsoper Stuttgart. Wir kannten uns bereits, waren immer freundschaftlich verbunden, hatten an der gleichen Musikhochschule in Berlin studiert, der „Hanns Eisler“ und uns bei den Salzburger Festspielen, der Ruhrtriennale und an einigen anderen gemeinsamen Kulturinstitutionen beruflich getroffen. Die gedankliche und damit künstlerische Stoßrichtung war dieselbe und so haben wir gemeinsam das Konzept entworfen, die Junge Oper zum JOiN, zur Jungen Oper im Nord, zu machen. Damit war – wie der Name schon sagt – der Umzug in die Spielstätte Nord verbunden. Bis dahin wurde diese Spielstätte ausschließlich vom Schauspiel Stuttgart genutzt.

Das Konzept der Neuausrichtung ging auf, der Umzug war ein voller Erfolg für alle!
Elena Tzavara beim Aufbau zum Sitzkissenkonzert Heute bin ich Pferd – Foto: Martin Sigmund
Was waren deine Ziele, als du damals in der Jungen Oper angefangen hast?
Für mich war und ist ganz besonders wichtig, dass es keinen Unterschied macht, für welches Alter man ein Stück anbietet oder inszeniert. Es muss nur dem höchsten künstlerischen Anspruch genügen.

Viele denken ja, eine Oper für Kinder müsse „kindgerecht“ sein. Übrigens ein Wort, welches ich nicht so gerne in den Mund nehme, da es suggeriert, dass wir als Erwachsene genau wissen, was für Kinder und Jugendliche „gerecht“ ist und ihnen gefällt. Mir geht es, wenn man es einmal objektiv betrachtet, mit allen Stücken darum, dass Kinder schon in frühen Jahren ein Empathie-Vermögen erlernen, das auch zu einem Demokratieverständnis führt, indem sich Kinder während der Vorstellung und darüber hinaus in eine andere Person oder Situation hineinversetzen können. Das macht Theater und Oper aus und vor allem möglich: den Perspektivwechsel.

Und wenn man von diesem Standpunkt aus weiterdenkt, dann muss man nur im Blick haben, was im Erfahrungshorizont der Kinder liegt. Das heißt aber nicht, dass ein bestimmtes Stück nur für Kinder oder Jugendliche einer bestimmten Altersgruppe gedacht ist. Für Erwachsene sollte der Besuch ebenso eine Bereicherung sein, die Stücke sollten auf mehreren altersübergreifenden Ebenen gut funktionieren.

Dieser Anspruch ist es auch, den ich nach Aachen mitnehmen möchte: Dass wir aufhören, in Schubladen zu denken. Nicht nur in Bezug auf das Alter, sondern generell: Kinder sind genauso individuell wie Erwachsene, sie sind keine homogene Masse. Deswegen müssen wir weiter und weiter unterschiedliche Zugänge zum Medium Oper und Theater schaffen – für alle Altersgruppen und Gesellschaftskreise.
Was kann das JOiN, das die große Oper nicht kann?
Das JOiN ist neben dem großen Tanker Staatsoper sozusagen wie ein wendiges U-Boot oder Beiboot, das immer mal wieder auftaucht. Und wenn es auftaucht, dann fulminant und mit allerlei Partizipationsmöglichkeiten und wunderbaren Vermittlungsangeboten. Die Formate, die das JOiN macht, sind flexibler als die Opern auf der großen Bühne im Opernhaus. Sie sind quasi immer Experimente, da für jeden Anlass ein neues Format entwickelt wird. Stolz bin ich besonders auf die Outreach-Projekte, wie Nesenbach und Schräge Vögel, denn wir haben hier ein Format geboren, das es bislang noch nicht gab: Das sogenannte Straßenoratorium mit Laien-Sänger*innen aus der gesamten Stadtgesellschaft von 6 bis 82 Jahren.

Gleichzeitig werden hier durch viel Partizipation und die Vermittlungsarbeit Diskurse angeregt, die sicherlich auch dem Opernhaus Impulse geben. Das liegt an der Zielgruppe: Die jungen Menschen beschäftigen sich mit wegweisenden Themen, die für die ganze Gesellschaft meistens erst später, manchmal zu spät, relevant werden.
Die Junge Oper auf der großen Bühne: Anfang des Jahres hat Elena Tzavara Der Räuber Hotzenplotz im Opernhaus inszeniert, eine Kooperation von JOiN und Staatsoper.
Hier erklärt sie zu Beginn des Probenprozesses gemeinsam mit dem Regieteam das Regiekonzept.
Was macht für dich das JOiN aus?
Das fantastische Publikum! Unmittelbarer geht es nicht, denn die Reaktionen auf szenische Vorgänge kommen ungefiltert. Kinder und Jugendliche sind ja das kritischste Publikum überhaupt: Man weiß sofort, wenn man beispielsweise einen Fehler inszeniert hat.

Außerdem ist das JOiN ein Ort des Zusammenkommens: Mit dem Opernstudio, das hier sozusagen seinen Campus, seine szenische Ausbildungsstätte und seinen Rückzugsort hat. Mit den FSJler*innen und Auszubildenden, die wir die letzten Jahre begleiten durften und zu denen wir immer noch Kontakt haben. Und auch mit den Kindern, die das JOiN als eine Art Zuhause erlebt haben. Das ist schon unser Ethos, das wir hier leben und leben wollten: dass wir immer ein offenes Haus sind und hier wirklich alle Menschen willkommen sind!
Was wirst du am meisten vermissen?
Definitiv all die Menschen, die mich hier begleitet haben! Das JOiN als künstlerische Beheimatung werde ich vermissen, weil wir den Ort vor erst fünf Jahren eingeweiht haben. Aber richtig vermissen werde ich in erster Linie alle Menschen, die mich hier beruflich sowie auch freundschaftlich umgeben haben: Das ganze Team, die Gewerke, wunderbare Techniker*innen, Beleuchter*innen, alle Mitglieder des Opernstudios und und und ... ich kann sie jetzt gar nicht alle aufzählen. Nur so viel: Es war einfach eine große Freude und Ehre, hier mit diesen wundervollen Kollegen und Kolleginnen zusammen arbeiten zu dürfen!

Zum Abschied lässt sich nur sagen: JOiN ist eben nicht nur Titel, sondern auch Programm! Vielen, vielen Dank an alle, die mich in den letzten sieben Jahren begleitet und unterstützt haben!
Abschied von Elena Tzavara beim letzten Konzert der Saison des Internationalen Opernstudios – Foto: Angelika Graf