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28.09.2023 Der Gipfel!

Im 1. Kammerkonzert dieser Saison am 4. Oktober wird im Mozartsaal der Liederhalle Stuttgart unter anderem Franz Schuberts Streichquintett C-Dur zu erleben sein. Für unseren Stellvertretenden Konzertmeister Gustavo Surgik ein Gipfelpunkt der gesamten klassischen Musik. Was es für ihn so besonders macht, erfahren Sie hier.
Gustavo, was ist für dich das Besondere an Schuberts Streichquintett?
Man sagt ja: Musik fängt da an, wo die Sprache aufhört – und das lässt sich auch auf Schuberts Streichquintett in C-Dur beziehen. Für mich ist das Quintett eines der schönsten Werke der Musikgeschichte, sozusagen ein Gipfel der gesamten Literatur. Dabei hat Schubert vor allem für eine eher außergewöhnliche Besetzung komponiert: Während seine Kollegen vor ihm Streichquintette meist für zwei Violinen, zwei Bratschen und ein Violoncello komponiert haben, ersetzt er als einer der ersten die zweite Viola durch ein weiteres Cello. Dadurch verleiht er seinem Werk mehr Dramatik, mehr Tiefe. Die Musik gewinnt an Gewicht und erhält eine große Palette an Klangvielfalt. Sie wirkt breiter, man könnte auch sagen, sie sei voll mit „Diamanten aus der Seele“.
Was steckt inhaltlich für dich in Schuberts Streichquintett?
Zwei Monate nach der Veröffentlichung stirbt Schubert und hinterlässt der Nachwelt ein Werk, das seinesgleichen sucht. Für mich behandelt es ganz alltägliche Probleme, die die Menschheit seit jeher beschäftigen, und macht daraus ganz große Kunst. Seine Musik schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, einem leidenschaftlichen Kampf gegen Enttäuschungen und die Ungerechtigkeit des Lebens. Ich glaube, all das kann man auch in unserer heutigen Zeit finden. Wenn sich die Zuhörer*innen im Konzert auf die Musik einlassen, werden sie sich sicher an Situationen aus ihrem eigenen Leben erinnert fühlen und dabei feststellen, dass die Klänge sie mitnehmen auf eine Reise in eine verklärte Welt, die gleichzeitig etwas Reales hat. Die enorme Vielseitigkeit der Musik rührt von Schuberts einzigartigem Kompositionsstil: Er schreibt sowohl dramatisch als auch lyrisch, manchmal hört man förmlich ein großes Orchester, manchmal filigrane, ganz intime Klangräume. Es ist Musik von zeitlos gewordener Zeit, tiefem Frieden, unirdischer Seligkeit und Entrückung. Fast könnte man sie mit einem großen Ölgemälde vergleichen, in dem man bei jeder neuen Betrachtung Berührendes entdecken kann.
Bei den Kammerkonzerten des Staatsorchesters zeichnen die Musiker*innen selbst verantwortlich für die Programme.
In den vergangenen Monaten hast Du drei Mal den Solopart von Tschaikowskys Violinkonzert gespielt – ein Werk mit großem Orchester. Laufen die Proben für Kammerkonzerte anders ab?
Ich habe das Werk mit verschiedenen Orchestern in Heilbronn, Brasilien und Italien aufführen dürfen. Das war eine tolle Sache und dabei natürlich ganz anders, als an einem Kammerkonzert-Programm zu arbeiten. Zum einen zeichnen die Musiker*innen des Staatsorchesters Stuttgart immer selbst verantwortlich für die Programme in den Kammerkonzerten. Wir machen uns Gedanken über die Stücke, die wir gerne spielen möchten und gestalten dann zusammen mit der Konzertdramaturgie die Kombinationen zu gewissen Themen. Der wahrscheinlich größte Unterschied zwischen Schuberts Streichquintett und Tschaikowskys Violinkonzert ist, dass in letzterem die Sologeige mit dem Orchester kommuniziert. Es entsteht also eine Art Dialog zwischen Violine und dem Kollektiv. Am Quintett hingegen sind fünf individuelle Musiker beteiligt, die alle gleichberechtigt sind und sich gleichzeitig einordnen müssen. Sie alle sind auf ihre Art und Weise für die Gestaltung des Werkes verantwortlich. Im Vergleich zu den Violinkonzerten ist das eine ganz andere Erfahrung, die jedoch vielleicht noch ein bisschen spannender ist. Man lässt sich auf seine Mitspieler ein und jeder hat seine eigenen Ideen und Vorstellungen zur Umsetzung.
Okt 2023
https://www.staatsoperstuttgart.de Staatsoper Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart

Mi
4
19:30
Liederhalle, Mozartsaal