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03.11.2023 „Die Frau ohne Schatten“: Ein ganzes Werk als Lieblingsstelle
Die Frau ohne Schatten
Ein ganzes Werk als Lieblingsstelle
Nach 34 Jahren ist an der Staatsoper Stuttgart erstmals wieder Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ in einer Neuinszenierung zu sehen. Die Musikalische Leitung übernimmt Generalmusikdirektor Cornelius Meister, und wir haben ihn nach seinen Lieblingsstellen der Oper gefragt. Dabei kam heraus: Eigentlich ist das gesamte Werk für ihn eine einzige große Lieblingsstelle, dennoch hat er drei Passagen ausgewählt, die bei ihm jedes Mal Gänsehaut auslösen.
1
„Die Bühne versinkt, die Zeit steht still – und wir hören eines der berückendsten Geigen-Soli der gesamten Opern-Literatur.“
„Die Bühne versinkt, die Zeit steht still – und wir hören eines der berückendsten Geigen-Soli der gesamten Opern-Literatur.“
Dritter Akt, Ziffer 137
Das Geigen-Solo kündigt die Begegnung der Kaiserin mit ihrem Vater in der Geisterwelt an. Sie gesteht ihm, dass sie keinen Schatten erhandeln konnte und sucht nach Rat, wo ihr Platz in der Gesellschaft sei: „Vater, bist du’s? Drohest du mir aus dem Dunkel her? Hier siehe dein Kind! Mich hinzugeben hab ich gelernt, aber Schatten hab ich keinen mir erhandelt. Nun zeig mir den Platz, der mir gebührt inmitten derer, die Schatten werfen.“
2
Wir hören, scheinbar unendlich lang, einen es-Moll-Akkord, in stetigem Crescendo, inklusive chinesischen Gongs im Orchester, mit Orgel und Posaunen hinter der Bühne. Das hebt uns fast das Opernhaus aus den Angeln.
Wir hören, scheinbar unendlich lang, einen es-Moll-Akkord, in stetigem Crescendo, inklusive chinesischen Gongs im Orchester, mit Orgel und Posaunen hinter der Bühne. Das hebt uns fast das Opernhaus aus den Angeln.
Dritter Akt, sechs Takte vor Ziffer 154 bis Ziffer 155
Auf den es-Moll-Akkord folgt eine der Schlüsselszenen der Oper: Der Kaiser droht zu versteinen. Den Regieanweisungen in der Partitur ist zu entnehmen: „In [einer] strahlend hellen Nische sitzt auf steinernem Thron: Der Kaiser. Er ist starr und steinern, nur seine Augen scheinen zu leben.“ Bei seinem Anblick entweicht der Kaiserin ein schreckhafter Seufzer: „Ach! Weh mir! Mein Liebster starr! Lebendig begraben im eigenen Leib! Erfüllt der Fluch!“
3
Wer meint, in der Oper würde nur gesungen, liegt gründlich falsch. Die Autorität der Kaiserin, wenn sie „Ich – will – nicht!“ spricht, flößt mir jedesmal einen gehörigen Respekt ein.
Wer meint, in der Oper würde nur gesungen, liegt gründlich falsch. Die Autorität der Kaiserin, wenn sie „Ich – will – nicht!“ spricht, flößt mir jedesmal einen gehörigen Respekt ein.
Dritter Akt, drei Takte vor Ziffer 167
Turning Point in drei Worten: Mit ihrem Ausruf „Ich will nicht“ schafft es die Kaiserin, das Unheil abzuwenden und sie erlangt einen „scharfen Schatten, der quer über den Boden des Raumes“ fällt. Der Kaiser wirft seine Versteinerung ab und die Stimmen der Ungeborenen setzen ein: „Das sind die Nichtgeborenen, nun stürzen sie ins Leben mit morgenroten Flügeln zu uns, den fast Verlorenen; uns eilen diese Starken wie Sternenglanz herbei.“, ruft der Kaiser aus und die Oper endet in strahlendem C-Dur!