Ein Ort zwischen Traum und Wirklichkeit

Wie entsteht eigentlich so ein magischer Ort wie das „Fundbüro“? Amanda Ziemele und Thilo Ullrich haben das Bühnenbild und die Kostüme für diese Produktion gestaltet, und erzählen in diesem Interview von der Entstehung, ersten Assoziationen, und den ganz besonderen Momenten dieser Produktion.
Beginnen wir doch mal ganz von vorne: Wie läuft der Produktionsprozess eines Bühnenbildes ab?
A: Fundbüro ist die erste Produktion, bei der ich an der Entwicklung eines Bühnenbildes und gleichzeitig auch an Kostümen auf der Bühne arbeite. Ich komme aus dem Kontext visueller Kunst und bin auch als Künstlerin tätig. Es hat mich sehr gefreut, als Martin Mutschler mich zum Mitmachen eingeladen und mir dazu die Chance gegeben hat, zusammen mit dem Bühnenbildner Thilo Ulrich eine gemeinsame Produktion entwickeln zu dürfen. Den Prozess des Entstehens an sich kann man nicht als linear beschreiben, alles passiert auf mehreren Ebenen gleichzeitig, eins führt zum anderem. Die ersten Impulse stammen aus den gemeinsamen Gesprächen mit Martin Mutschler und Thilo Ullrich. Ganz früh haben wir zusammen das Fundbüro als einen außergewöhnlichen Ort geschaffen. Thilo hat es in ein Bühnenmodell verwandelt, das mit merkwürdigen Objekten belebt ist, danach hat Martin das alles einen Schritt weitergebracht, ohne zu wissen, was für Bedeutungen die Objekte im Fundbüro beinhalten und woher sie kommen. Man könnte es auch wie ein Spiel zwischen uns betrachten.
T: Für Amanda und mich war der Ausgangspunkt, dass es eine Stückentwicklung zum Thema „Fundbüro“ werden sollte. Für uns war schnell klar, dass wir uns realistische Gegenstände nicht für die Bühne vorstellen konnten. Kein Regenschirm, kein Koffer sollte auf der Bühne sichtbar sein. Es sollten Gefühle, Erinnerungen und immaterielle Dinge sein, die verloren und gefunden werden. Diese brauchten eine Form, ein Aussehen. Das hat Amanda in einem malerischen Prozess erarbeitet, während ich an der Architektur des Fundbüros recherchiert und gearbeitet habe. Beide Prozesse haben wir dann in einem Entwurf zusammengeführt. In regelmäßigen Abständen haben wir telefoniert, uns kurz etwas geschrieben und mit Martin gezoomt. Seine Ideen und Anmerkungen zu dem Stand des Entwurfes flossen dann immer in den nächsten Schritt mit ein. Als wir das Bühnenbild für uns soweit fertig hatten, haben wir dieses der Technischen Leitung vom JOiN und der Produktionsleitung der Werkstätten der Oper vorgestellt. Ab dem Moment ging es dann sehr technisch zu. Es ging viel um Zeit, Realisierbarkeit und Geld. Dabei mussten wir sicher stellen, dass sich die Aussage des Entwurfs nicht verändert und wir mit allen technischen Anpassungen auch optisch umgehen können.

Das erste Mal auf der Bühne stand der Bühnenbild-Entwurf dann bei der Bauprobe, hier erstmal nur aus Holzlatten, Sperrholz, Packpapier und Stoff. Wir haben die Größe überprüft und uns angeschaut, wie die Materialien im Scheinwerferlicht aussehen. Mit diesen besonderen Eindrücken haben wir dann die finalen Pläne und Zeichnungen für die Abgabe bei den Werkstätten erstellt.
Jacobo Ochoa als „Der ewige Finder“ in Fundbüro; Foto: Matthias Baus
Wie ging es euch, als ihr euch das erste Mal mit Fundbüro beschäftigt habt?
T: Ich hatte sofort Lust auf das Stück! Das Thema hat bei mir ganz viele Erinnerungen und Assoziationen zu absurden Räumen aufgemacht. Interessanterweise alle konkret und realistisch. Erst später im Prozess haben wir das aufgebrochen und den Fokus mehr auf die Struktur gelegt, die alles zusammenhält.
A: Auch ich habe den Entstehungsprozess des Stückes sehr genossen. Da konnte man erfahren, wie sich die Relationen der Bedeutungen von Materialien weiterentwickeln lassen.
Was ist das Fundbüro für euch?
A: Ein Ort, an dem Assoziationen geweckt werden. Sie erlauben es, immaterielle Gefühle und Erinnerungen zu materiellen Objekten neu zu formieren und damit aktiv zu werden.
T: Irgendwas zwischen Traum und im Kopf sein. Manchmal gibt es diesen Moment, wenn man sehr intensiv geträumt hat und dann langsam aufwacht. Man ist schon wieder fast wach, zurück aus dem Traum, aber man kann sich noch nicht bewegen und ist noch in einer Zwischenwelt. Dieses Gefühl ist für mich dieses Suchen und Finden, Verarbeiten und Abschließen mit den Dingen, was im Fundbüro passiert.
Die Bühnenbildelemente sind abstrakt, es gibt wie ihr schon erwähnt habt keinen Koffer, keinen Schlüssel – wie kam es dazu?
A: Ich würde sagen, dass die Gegenstände eher abstrahiert sind. Die Fundstücke sind mit der Zeit von ihrer ehemaligen Form zu etwas anderem transformiert. Das heißt, die Objekte sind im ständigen Umwandlungsprozess von etwas Realem zum Abstrakten.
T: Wenn ich sehe, dass jemand einen Regenschirm verliert, dieser gefunden, abgegeben und dann später abgeholt wird, dann geht es einfach um den Schirm. Vielleicht kann man den Schirm noch aufladen mit einer Zeit, in der man diesen benutzt hat, oder einem Ort, an dem man ihn verloren hat. Aber es dreht sich alles um den Schirm. Wenn man dagegen zum Beispiel eine Umarmung vermisst, sie im Fundbüro abgibt oder dort wiederfindet, dann ist da mehr Platz für die Zuschauer, sich selbst in der Geschichte zu finden. Aber wie stellt man eine Umarmung als materielles Ding dar? Deswegen sind die abstrakten Objekte das einzig Richtige für diesen Ort.

Aleksander Myrling als „Teppichmann“ in Fundbüro; Foto: Matthias Baus
Welche Materialien habt ihr für diese Objekte verwendet?
T: Wir wollten vor allem damit spielen, dass manche Dinge hart und manche weich sind. Die Objekte sollten außerdem überraschen. Ausgehend von manchen konkreten Dingen, die wir interessant fanden und mit denen wir Erinnerungen hatten, haben wir Oberflächen übernommen. Etwa der Samtbezug eines aufblasbaren Reisekissens, das man sich um den Nacken legt. Dafür haben wir einen grauen feinen Samt verwendet.
Gibt es einen Moment in der Inszenierung, der euch besonders berührt?
T: Für mich ist das der Moment mit der Vivaldi-Arie von Primavera, Alma Ruoqi Sun. Sie steht links in dem Haus auf dem Tresen und das Faktotum (Itzeli Jáuregui) liegt rechts unter dem Tresen und hört ihr zu. Die beiden sehen sich nicht, aber sie sind durch die Musik verbunden. Wenn die Monde dabei langsam in die Räume eintauchen – dieses Bild ist sehr poetisch.
A: Ich liebe die Momente sehr, die man nicht so genau in Worte übersetzen kann, die man aber dafür umso mehr spüren kann. Die Szene der Umarmung ist eine von ihnen; der Teppich, der am Anfang wie ein riesengroßer, gerollter Pfannkuchen wirkt; der große Pinsel, der wie in einem Unterwasserleben über die Bühne schwimmt; die Stimmung im Fundbüro in der Nacht, in der Objekte und Klänge im Schlaf liegen und sich miteinander verbinden.

Fundbüro

Jun 2025
https://www.staatsoperstuttgart.de Staatsoper Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart

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