Am 18. und 19. März führt das Staatsorchester Stuttgart mit Charlie Chaplins Tragikomödie „City Lights“ unter der Musikalischen Leitung von Cornelius Meister seinen Stummfilm-Zyklus fort. Unser Generalmusikdirektor ist bekennender Fan des britischen Filmemachers und kennt viele seiner Werke in- und auswendig. Wir haben uns mit ihm über den Wandel der Zeit, die Herausforderung, Filmmusik zu dirigieren und Chaplins Kompositionsstil unterhalten.
Wie bereitet man sich auf einen Abend wie City Lights vor? Was ist der Unterschied zum Dirigat einer Oper oder eines Sinfoniekonzerts?
Man schaut mehrere Monate lang jeden Abend den gleichen Film. Deshalb dirigiere ich ja auch nur Filme, die ich gern so oft angeschaut habe, bis ich sie auswendig kannte: Metropolis von Fritz Lang z. B. und Gold Rush, Modern Times und City Lights von Charlie Chaplin.
Sie haben einen ziemlich persönlichen Zugang zu Chaplins Filmen. Wie kam’s?
Die Chaplin-Filme gelten als mit das schwerste, was es für Filmmusik-Dirigenten gibt, da die Musik häufig auf einzelne Bewegungen, auf einzelne Schritte, Blicke usw. choreographiert ist. Daher brauchte ich auch so etwas wie ein Zertifikat über meine Erfahrung in diesem Genre, bis die Chaplin-Erben mir 2007 auf Empfehlung der Europäischen Filmphilharmonie erlaubten, seine Filme aufzuführen.
Werden die Filme immer noch so abgespielt wie vor knapp hundert Jahren?
Tatsächlich kann die analoge Technik und die Möglichkeit, die Anzahl der Bilder pro Sekunde stufenlos einzustellen, zu extremen Abweichungen führen. Auch wenn ich mit „extrem“ vielleicht nur ein paar Sekunden meine: Man stelle sich vor, Musik und Film wären um einige Sekunden auseinander. Daher brächte es nichts, nach Stoppuhr zu dirigieren (und für einen durchgehenden Beat gibt es in Chaplins Musik sowieso viel zu viele Tempoänderungen und zu viel Rubato) – man muss als Dirigent den Film einfach genauestens kennen.
Wie würden Sie Chaplins Kompositionsstil beschreiben?
Das ist eine wahre Fundgrube: Es finden sich Zitate und Anklänge an Werke von Brahms, Wagner und vielen anderen. Aber vor allem ist sein Stil unglaublich plastisch und humorvoll: Selbst wenn man den Film nicht dazu sähe, entstünden allein durch Chaplins wunderbare Melodien Bilder und Geschichten vor dem inneren Auge.