Von Christiane Plank-Baldauf

Real Art For Real People?

Was bedeutet die Digitalisierung für die Musik, das Theater, die musizierenden, singenden Musiker*innen/Darsteller*innen? Von 10. bis 15. Februar wurde im JOiN im Rahmen eines enoa-Workshops (european network of opera academies) in Zusammenarbeit mit der Theaterakademie August Everding dieser Frage auf den Grund gegangen.
Montag morgens, 10 Uhr: Im Foyer des JOIN treffen die Teilnehmer*innen des Workshops ein – zumindest diejenigen, die es trotz des Sturms Sabine rechtzeitig nach Stuttgart geschafft haben. Eine international gemischte Gruppe aus Stuttgart, München, Brüssel, Aix-en-Provence, Lissabon, Aldeburgh und Hong Kong wird sich in den nächsten sechs Tagen – angeleitet und unterstützt von der künstlerischen Leiterin des JOIN, Elena Tzavara, der Münchner Dramaturgin und Theaterwissenschaftlerin Dr. Christiane Plank-Baldauf sowie Prof. Martin Schüttler aus Stuttgart - mit praktischen Fragen beschäftigen, die sich aus der Digitalisierung für das Musiktheater stellen. Was heißt ‚Digitalisierung‘ für Regie, Bühnenbild, Dramaturgie und Komposition? Wie lassen sich Erzählstrukturen neuer Medien auf das Musiktheater übertragen? Wie können elektronische Klangerzeugung und virtual reality mit der sinnlichen Wirklichkeit des Theaters verknüpft werden?

In den folgenden Tagen formieren sich drei Gruppen, die sich dem Thema aus höchst unterschiedlichen Perspektiven nähern. Für viele Teilnehmer*innen ist die Arbeit in einem offenen Entwicklungsprozess eine neue Erfahrung, die andere Arbeits- und Denkweisen eröffnet sowie den Beteiligten unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen vermittelt. Kollektives Arbeiten heißt auch klare Aufgaben zu verteilen und gleichzeitig im richtigen Moment die eigene künstlerische Erfahrung einzubringen. Am Ende des Workshops steht ein öffentliches Zeigen 15minütiger try-outs auf der Bühne des JOINs in denen die Vielfalt der Handschriften deutlich wird. Von einer Adaption eines unbekannten Grimm-Märchens, die mit Mitteln des Films und einer Soundperformance nach einer „wahren“ Version der Geschichte sucht (Wie Kinder Schlachten gespielt haben), über eine Ausstallungsinstallation, die sich visuell und klanglich auf die Suche nach einer ausgestorbenen Bananensorte begibt (Museum of the last unicorn), bis hin zu einer Rauminstallation, die sich dem Verhältnis von Sehen und Beobachten, von Zuhören und Verfremden nähert (ZERO_ONE).

Trotz des unterschiedlichen Einsatzes neuer Medien, Elektrosounds und der Überprüfung neuer Erzählstrukturen und -formen haben alle Teilnehmer*innen die analogen Möglichkeiten des Musiktheaters keineswegs vernachlässigt. Die sinnlichen Ausdrucksmittel der Theaterbühne – dies ist eine zentrale Erkenntnis dieses Workshops - werden weiterhin in der praktischen Arbeit der jungen Künstler*innen eine zentrale Bedeutung haben.

Beteiligte: Franziska Angerer, Theaterakademie August Everding München, Olga Paliakova, Opéra de la Monnaie (Regie); Julia Maschke und Talisa Walser, Theaterakademie August Everding, Gareth Mattey, Snape Maltings Aldeburgh (Dramaturgie); Eugene Alexander Birman, Calouste Gulbenkian Foundation, Philipp Mayer, Hochschule für Musik und Theater Stuttgart, Luís Salgueiro, Calouste Gulbenkian Foundation (Komposition); Alexander McCargar, Festival d´Aix-en-Provence (Bühnenbild) sowie Diatra Zulaika (Mezzosopran), Mark Lorenz Kysela (Saxophon), Markus Hein (Klavier).