Der Schalk im Nacken

Was hat es eigentlich mit diesem grünen Clown auf sich, der in Sebastian Nüblings „Carmen“-Inszenierung herumspringt und allen auf die Nerven geht? Eine Interpretation von Hiltrud Bontrup.
Jeder Clown, egal wie lustig, ist stets auch finster. Kleinkinder brechen bei der übertriebenen Mimik in Tränen aus. Die Pappnase, die Schuhe, der winzige Hut – all das mag lächerlich sein, in seiner Groteske ist es aber auch aggressiv, erschreckend. Der irre Joker im Batman-Comic, der mordende Pennywise in Stephen Kings Roman Es: Die Horrorclowns sind keine Gegenentwürfe zum dummen August, sie verkörpern unser Unbehagen. Ihre Gestalt, ihr anarchisches Verhalten, alles liegt außerhalb der Norm. Der Clown eckt überall an; an das, was wir kennen und für richtig und wichtig halten, an Normen und Werte. Der Clown macht Angst. Er ist der Schatten unserer Konventionen, ein dunkler Kommentar der Kultur. Als solcher tritt er auch in Sebastian Nüblings Carmen-Inszenierung auf.

Der Regisseur hat dem Eifersuchtsdrama eine Clownsfigur hinzugefügt, den Surplus (dt.: den Überzähligen). Gespielt wird Surplus von Luis Hergón, der im laubfroschgrünen Trikot mit Clownsnase dem Sergeanten José buchstäblich im Nacken sitzt und dessen Gedanken pantomimisch ausdrückt. Dass er Carmen nicht nur begehrt, sondern auch haben will. Dass seine Sehnsucht nicht nur im Herzen, sondern auch zwischen seinen Schenkeln pocht. José besingt das Ideal romantischer Liebe, die eine erfüllende, lebenslange Exklusivität. Und er glaubt, sie in Carmen gefunden zu haben. Doch Carmens Liebe ist ein unzähmbarer Vogel, davon singt sie in der Habanera: „Wenn du mich nicht liebst, lieb ich dich. Wenn ich dich liebe, nimm dich in acht.“ Carmen spielt mit Josés Begehren, sie lockt ihn und lacht ihn aus. Liebe, Eros, das sind Launen, mit denen sie spielt. Ihre Liebe gilt allein der Freiheit. Armer José? Dass Carmen ihn mit ihrem Spiel bis zum Mord treibt, ist nur die gewohnte, konventionelle Lesart. Der Clown im Nacken erzählt die Dynamik enttäuschter Männlichkeit. Wie aus Begehren Besitzenwollen wird. Wie Zurückweisung zu Verletzung führt – und daraus tödlicher Hass. Frauen müssen sterben, weil Männer kein Nein aushalten. Auch in dieser Geschichte.
Sep 2023
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23
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Di
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