Ein Truckanhänger wird zur mobilen Bühne!

Not macht erfinderisch: Weil die großen Theater geschlossen waren, schrieb Igor Strawinsky 1917/18 "Die Geschichte vom Soldaten" im Schweizer Exil während des Ersten Weltkriegs für eine mobile Bühne. Um das Stück im Stuttgarter Stadtraum aufzuführen, hat die Staatsoper eine mobile Bühne beim Studio umschichten in Auftrag gegeben. Im Interview verrät Alper Kazokoglu von umschichten was es bedeutet, einen Operntruck zu bauen.
Staatsoper: Was macht das Studio umschichten, wenn es nicht gerade einen Truckanhänger in eine mobile Bühne umwandelt?

Alper Kazokoglu: umschichten ist eine build&design Praxis die an den Schnittstellen von Kunst, Architektur und öffentlicher Raum operiert. umschichten steht für einen behutsamen Umgang mit Material und Raum. Die entstehenden Installationen bilden stets das Korsett aus Zwängen, Ressourcen und scheinbaren Unmöglichkeiten ab. Wir visualisieren Theorien, Probleme, oder Konstellationen und ermöglichen eine andere Perspektive auf bestehende Situationen. Umschichten wurde 2008 von Lukasz Lendzinski und Peter Weigand gegründet und 2018 um Alper Kazokoglu bereichert.
Neben dem Projekt an der Stuttgarter Staatsoper bauen wir Festivalzentren für die Biennale Tanzausbildung auf Kampnagel in Hamburg und in Stuttgart, aus riesigen S21-Schalungselementen für die Kulturregion. In der Nachbarschaft konzipieren wir am Stadtpalais eine sommerliche Dünenlandschaft. Ansonsten begleiten wir in Schwetzingen den Neubau eines Stadtteils mit künstlerischen Aufwertungen, bauen für das Dresdner Kunsthaus einen Spülpalast und entwickeln Kunstinstallationen und einen Wanderweg im Lahntal.
© Manuel Wagner
Staatsoper: Aktuell baut ihr für die Aufführung von "Die Geschichte vom Soldaten" im Stadtraum Stuttgart eine mobile Bühne. Wie kann man sich das vorstellen?

Alper Kazokoglu: Wir setzen in unseren Arbeiten oft auf das, was vor Ort verfügbar ist. Das können (Bau-)Materialien sein, aber auch Wissen und spezifische Fähigkeiten werden genutzt. Für den Operntruck haben wir zunächst die Materialien gesichtet die im Zentrallager der Staatsoper eingelagert sind. Auf dieser Grundlage haben wir erste Skizzen erstellt in denen wir durchspielen, wie sich diese Objekte in einem räumlich spannenden Ensemble arrangieren lassen. Wobei es die Grundidee gibt, dass wir Fragmente aus der Oper nehmen und diese Bau-Set in den Truck laden und jedesmal neu vor Ort zusammenstellen. Für den ersten Einsatz konnten wir erste Erkenntnisse aus Bauproben direkt am Truck selber gewinnen und so formuliert sich das Projekt in einer Abfolge aus Entwurfsschritten und Überlegungen, Absprachen mit den Beteiligten und 1zu1-Tests vor Ort. Nach dem Motto „hit the road, so schnell wie möglich!“ ist der zeitliche Rahmen bewusst knapp gehalten und erfordert schnelle Reaktionen von allen Beteiligten.

© Manuel Wagner
Staatsoper: Was reizt euch besonders an diesem Projekt?

Alper Kazokoglu: Es ist spannend mit einer großen Institution wie der Staatsoper und ihren Apparaten zu arbeiten. In diesem Rahmen konnten wir diese natürlich nicht zu stark herausfordern, aber das würde uns auch mal reizen. Abgesehen davon haben wir uns über die Anfrage sehr gefreut, weil die Grundidee eine mobile Bühnensituation zu entwickeln, die an unterschiedlichen Orten funktioniert schon so toll ist.
Wir glauben fest daran, dass sich Materialien und alles Gebaute in ständiger (Ver-)Wandlung/ Transformation befinden und jeder Zustand nur für einen Moment genutzt und anschließend wieder ein seine Einzelteile aufgelöst werden kann. Der Operntruck funktioniert ein Stückweit wie eine Art Baukasten, dessen Bestandteile vor Ort anpasst und konfiguriert werden, nachdem das Stück vorbei ist, kann alles wieder an seinen Platz im Lager zurückkehren.
© Manuel Wagner

Die Geschichte vom Soldaten