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26.04.2019 Auf einen Kaffee mit Sara Dahme Ein Warm-Up zum WARM-UP

Auf einen Kaffee mit Sara Dahme

Ein Warm-Up zum WARM-UP
Von Hanna Schlieder
Ich treffe Sara Dahme in einem kleinen Café in Lehen. Wir wohnen zufällig beide im Süden der Stadt, und es ist fast zur Gewohnheit geworden, dass sie die Locations für unsere Meetings wählt – quasi ein Sightseeing-Programm für mich als Neu-Stuttgarterin. Sie frühstückt, und ich kriege Zahnschmerzen von dem etwas zu süßen Chai-Latte – ihr Rote-Bete-Saft mit extra viel Ingwer sieht verlockend aus. Auf der Agenda heute: Ein kleines Frage-Antwort-Spiel. Der Anlass: Ab dem 3. Mai 2019 übernimmt Sara Dahme für ausgewählte Vorstellungstermine das erste WARM-UP der Opernwelt, einen Empfang der besonderen Art.
So liebe Sara, nun mal Butter bei die Fische: Warum Oper? Was magst Du an der Kunstform, dass Du sie in Dein Repertoire der Vermittlungsarbeit mitaufnimmst?
Warum nicht?!

Für mich gehört die Oper tatsächlich grundlegend zu unserer Kultur, ich fand es als Kind absolut faszinierend, als Studentin wirklich chic in die Oper zu gehen.

Und heute muss ich immer wieder schmunzeln, wenn meine Freunde irritiert fragen: Was?! Du gehst in die Oper -schräg... Genau das hat mir Lust gemacht, mir Gedanken über die Sexiness der Oper zu machen - warum gehen meine Freunde eigentlich nicht in die Oper? Ich will das ändern!
Kommen wir zu den Zahlen und Fakten. Das Opernpublikum wird immer älter. Oder in den Worten des Journalisten Tim Schleider: „Doch davon abgesehen dominiert bei den ganz normalen Vorstellungen (…) im Publikum die Haarfarbe Grau.“ Woran liegt das Deiner Meinung als Kulturvermittlerin nach?
Ganz offensichtlich gehört es eben leider nicht mehr zum öffentlichen Leben dazu, sich in der Oper zu zeigen und sie zu besuchen. In meiner Generation möchten viele einfach auch nicht so viel Geld für einen Abend ausgeben - Kultur ist wieder Luxus geworden. Vielleicht sind es aber auch die Stücke, die nicht mehr zum Kanon des Allgemeinwissens gerechnet werden - dass die Stücke immer mit dem Hier und Jetzt zu tun haben erwarten viele einfach nicht.
Und in Deiner Rolle als Lehrerin: Wie schaffst Du es, dass Deine Schüler während der Vorstellung auf ihren Smartphones Hintergrundinfos zum Stück recherchieren? (Dies ist so oder so ähnlich tatsächlich passiert, als Sara Dahme mit ihrer Schulklasse eine Vorstellung von „Die Liebe zu drei Orangen“ besucht hat.)
Oh ja, ich hab vergessen zu verbieten die Smartphones während der Vorstellung zu benutzen… Ich versuche der Neugier meiner Schüler viel Platz ein zu räumen, sie sollen wach und kritisch sein, sich trauen zu fragen und sich auch zutrauen, selber nach Antworten zu suchen. Der ertappte Schüler wollte eben dringend wissen, ob es dieses Computerspiel aus der Oper tatsächlich gibt, er meinte er hätte total Lust es zu spielen...
Erinnerst Du Dich an Deinen ersten Besuch in der Staatsoper Stuttgart? Was ist hängen geblieben? Was war Dein Eindruck?
Ganz ehrlich: ich weiß nicht mehr welche Oper es war, ich glaube was von Puccini… Ich kam 2003 zum Studieren nach Stuttgart und habe mitbekommen, dass man als Studentin abends mit etwas Glück noch ganz tolle Karten für ganz wenig Geld bekommen kann und bin mit meinem hübschesten Kleid einfach allein hingegangen. Tatsächlich bekam ich für 8€ eine Karte im Parkett, 3 Reihe - Wahnsinn!

Die Inszenierung ist mir nicht im Kopf geblieben, aber der Moment als ein sehr alter Herr neben mir mit einem unglaublichen Elan aufsprang und laut begeistert mit Tränen in den Augen "BRAVO BRAVO" nach der gerade geschmetterten Arie rief - das werde ich nicht vergessen! Eine solche Lust und Freude, totale Begeisterung und dieses sich nicht mehr zurückhalten können - großartig! Seit dem traue ich mich auch einfach rein zu rufen und dann zu klatschen, wenn mir was gefallen hat.
Du bist Protagonistin in unterschiedlichen Vermittlungsformaten der Stuttgarter Kulturszene – gibt es einen verbindenden Ansatz? Wie würdest Du Deine Rolle beschreiben? Was ist Dir wichtig?
Das verbindende Moment ist meine Begeisterung für all das, ich möchte das einfach gerne teilen. Mich fasziniert so viel in diesem Kultur- und Kunstbereich und ich merke oft, dass viele Leute verunsichert sind und Angst haben Dinge nicht zu verstehen. Ich möchte Lust auf all das machen, die Hemmschwelle der Auseinandersetzung elegant umgehen und andere bestärken auf ihren Eindruck, ihr Gefühl zu hören. Es geht immer um ein Zulassen, um mit Kunst einen Dialog zu beginnen, muss ich mich zu allererst ernst nehmen, das kostet Überwindung.
Ich bin Steigbügelhalter, Mittler zwischen den Welten, oder so was wie ein guter Barkeeper...
Und zu guter Letzt: Was erwartet uns am 3. Mai bei Deinem ersten WARM-UP in der Staatsoper Stuttgart?
Hoffentlich ein kurzes unterhaltsames Intermezzo vor der Aufführung. Ich möchte Lust darauf machen, sich auf Oper einzulassen, Fragen zu stellen, kritisch aber auch lustvoll zu genießen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Ziemlich viel… aber von nichts kommt nichts!
Über Sara Dahme
Sara Dahme ist vielerlei; und neben ihrer Rolle als Privatperson beeinflusst sie seit 2009 nachhaltig die Stuttgarter Kunst- und Kulturszene. Sie macht hierbei keine Unterschiede zwischen sowohl staatlich finanzierten Institutionen und freien Akteuren, als auch den Kategorien Hoch- und Subkultur. Dies ist auch die Basis für ihre Vermittlungsarbeit: Seit 2015 findet regelmäßig ihre Gesprächsreihe Sara Dahme trifft… statt (ab dem 15. Mai mit leicht verändertem Konzept und an wechselnden Orten). Ganz nach dem Motto: „Es gibt keinen Bildungsauftrag und kein gesellschaftspolitisches Interesse, hingegen alle Freiheiten, Kunst wahrzunehmen.“  

Außerdem lädt sie die Jungen Freunde der Staatsgalerie ein, Ausstellungen ganz unter Kunstbanausen zu besuchen, macht im freien Theater Rampe Keine Einführung inklusive der Zigarette danach und begibt sich mit ihrem DJ-Kollegen Andreas Vogel und jungen Gästen schon mal mit einem fahrbaren Plattenpult „auf eine Entdeckungsreise zur Kunst der Moderne“ und bringt so im Rahmen von SuperSoundSculpture Musik und Kunst zusammen. Lange Rede, kurzer Sinn: Sara Dahme holt (junge) Menschen dort ab, wo sie sind und gibt ihnen ein paar Impulse zu Kunst und Kultur mit auf den Weg. Auf diese Weise hat die hauptberufliche Lehrerin sich Schritt für Schritt einen Namen als Kulturvermittlerin gemacht.

www.saradahme.com