Ein Opernabend, der garantiert niemanden kalt lässt: Bei Jules Massenets „Werther“ wurden bereits vor Ergriffenheit schlotternde Zuschauer*innen im Opernhaus gesichtet. Produktionsdramaturg Franz-Erdmann Meyer-Herder nennt fünf gute Gründe, warum Sie sich die Aufführung auf keinen Fall entgehen lassen sollten!
Charlotte (Rachael Wilson) ist schockiert über Werthers Selbstmord (Atalla Ayan). – Foto: Martin Sigmund

1. Wegen der Besetzung

Atalla Ayan und Rachael Wilson sind zwei ganz besondere musikdarstellerische Schätze an diesem Haus und machen aus Werther einen wirklich herzerschütternden Abend. „Rachael Wilson – diesen Namen muss man sich ab heute merken!“, schrieb die FAZ zur Premiere 2021, Publikum wie Kritik waren hingerissen von ihrer kraftvoll-berührenden Charlotte. Genauso wie Atalla Ayan, der die Bühnen der großen Häusern in Paris, New York und London kennt, kehrt die junge Amerikanerin immer wieder nach Engagements in München, Zürich und Madrid gerne an ihr Stammhaus nach Stuttgart zurück und macht aus jeder Rolle etwas unverwechselbar Menschliches.
Atalla Ayan leidet als Werther unter der Zurückweisung Charlottes. – Foto: Martin Sigmund

2. Weil dieses Stück niemanden kalt lässt

Dieser Abend kann ein Level an Intensität erreichen, dass in der Pause im Böhm-Pavillon schon Gäste vor Ergriffenheit am ganzen Leib schlotternd gesichtet wurden und sich versichern wollten, ob andere Besucher*innen auch so berührt seien… Auf den ersten Blick analytisch kühl, entwickelt dieser Abend spätestens nach zehn Minuten einen unglaublichen emotionalen Sog. Werthers wiederholte, fast schon terroristische Liebeserklärungen an Charlotte, ihr Zögern und Zaudern aus Vernunftgründen, das langsame Abdriften in den Taumel: all das hat Komponist Jules Massenet in gnadenlos die Emotionen hochpeitschende Musik verpackt, der Regisseur Felix Rothenhäusler und sein Team sehr viel Raum lassen, auf die Figuren und damit auch auf das Publikum einzuwirken.
Ganz nah dran: Darsteller*innen über dem überbauten Orchestergraben und in den ersten Reihen des Parketts. – Foto: Martin Sigmund

3. Weil Sie noch nie so nah dran waren

Das Raumkonzept für Werther von Bühnenbildnerin Katharina Pia Schütz bringt Ihnen die Handlung so nah wie sonst selten. Anstatt im Graben, sehen Sie das Orchester auf Augenhöhe auf der Bühne. Die Sänger*innen sind teilweise nur eine Armeslänge entfernt (keine Sorge, alle Menschen auf der Bühne sind auf Corona getestet!) und kreieren einen gemeinsamen Erfahrungsraum. Die „Arena des außer-sich-Geratens“, zu der das Opernhaus sich hier verwandelt, schließt Sie gleich mit ein! (Und wenn Sie die richtigen Plätze erwischen, dann sitzen Sie vielleicht sogar kurz neben Protagonist*innen des Abends…)
Die Beziehung von Charlotte (Rachael Wilson) und Albert (Paweł Konik) wird durch Werthers Liebe für Charlotte stark auf die Probe gestellt. – Foto: Martin Sigmund

4. Weil ein Klassiker selten so packend ist

Wer Die Leiden des jungen Werthers von 1774 in der Schule gelesen hat, mag vielleicht nicht das lebhafteste Leseerlebnis in Erinnerung haben. Jules Massenets Oper verdichtet jedoch Goethes Briefroman, dessen Handlung sich über 1 ½ Jahre hinzieht, effektvoll zu drei Akten und vier Bildern. Werther mit seinen meisterhaft in Musik gesetzten Affekten destilliert aus Goethes Klassiker die Essenz heraus und wertet vor allem eine Rolle enorm auf: Charlotte, die mit Selbstbestimmtheit und Courage und mit ganz eigener Stimme ausgestattet schon Massenets Zeitgenoss*innen überraschte.
Modebewusst: Sophie (Aoife Gibney) im grünen Kostüm – Foto: Philip Frowein

5. Weil noch nie so viel Fashion auf der Opernbühne war

Was man auf den Catwalks in Paris und New York sehen kann, finden Sie in Werther auch auf der Bühne der Staatsoper Stuttgart wieder. In starkem Maße von den Kollektionen des Modehauses Balenciaga inspiriert, betreten wir mit den Kostümen von Elke von Sivers für die Oper Neuland: Seit Jahren begeistert und schockiert Balenciaga immer wieder mit radikalen Statements zu den Verwerfungen, Bedrohungen und Herausforderungen der Gegenwart. Die Kostüme von Werther entwerfen dieser Philosophie folgend moderne Archetypen, die auch für unliebsame Verhaltensmuster im neoliberalen Zeitalter stehen.

Werther

Alle Termine