Philippe Boesmans

Reigen

von Philippe Boesmans in deutscher Sprache mit Übertiteln
Zehnmal erschreckend banales Gerede vor und nach dem Sex. Und immer Angst, dass dieses Erlebnis nicht einzigartig sein könnte: Warst du schon einmal mit jemandem hier? … Du erinnerst mich an wen. – So? An wen denn? … War in diesen Räumen schon einmal eine andere Frau?

Der Reigen, das sind zehn mehr oder weniger erotische Treffen zwischen je einem Mann und einer Frau – wie in einem Kreistanz begegnen sich Dirne und Soldat zum »Zusammensein«, dann Soldat und Stubenmädchen, Stubenmädchen und Junger Mann, bis am Ende ein Graf wieder auf die Dirne trifft. Allen sozialen Unterschieden zum Trotz wiederholen sich Motive und Verhaltensweisen in erschreckender Weise: Man ziert sich, man hat es eilig, man macht so etwas eigentlich nicht. Und »danach« hat es plötzlich der andere eilig, wird grob oder entzieht sich mit belanglosen Sätzen. Zum Sex kommt es immer, zur Begegnung nur in Ausnahmefällen.

Schnitzler selbst verhängte ein Aufführungsverbot über seine 1920 geschriebenen Zehn Dialoge, das bis 1982 gültig war. 1993 wurde das Schauspiel von dem belgischen Komponisten Philippe Boesmans und dem Regisseur Luc Bondy zu einer Oper verarbeitet. Die raffiniert instrumentierte Musik fügt der Vorlage noch einigen Witz hinzu – oder wussten Sie, dass auch Mücken einen erotischen »Reigen« veranstalten?

Erste Pressestimmen zur Premiere gibt es hier.
Eine Produktion der Oper Stuttgart in Kooperation mit Nico and the Navigators
Ort
Opernhaus
Dauer
Erster Teil: ca. 1 Std. 10 Min.
Pause (nach der 5. Szene): ca. 25-30 Min.
Zweiter Teil: ca. 1 Std. 20 Min.
24. April 2016
Pressestimmen
zur Premiere am 24.04.2016 und zur Vorstellung am 06.05.2016
24.04.2016
„Handwerklich ist diese Musiktheaterproduktion perfekt gearbeitet. Und auch im Orchestergraben herrscht Präzision."

„Die Regisseurin Nicola Hümpel vom Berliner Musiktheaterensemble 'Nico and the Navigators' greift diese musikalische Ironie auch szenisch auf, was dem umjubelten Premierenabend eine Leichtigkeit verleiht und mehrfach lautes Lachen im Publikum provoziert.“

„Verloren im Schaumstoff" von Georg Rudiger
Die deutsche Bühne
25.04.2016
„Zeitgenössische Oper als Publikumserfolg, wie schön.“

„[Philippe Boesmans beherrscht], was vielen Gegenwartskomponisten schwer fällt: Er kann für Stimmen schreiben, was ihm die Sänger mit einer beachtlichen Ensembleleistung danken. Da lockt die Prostituierte (Lauryna Bendžiūnaitė) in gurrenden Koloraturen, während der Soldat (Daniel Kluge) eher geradlinig rezitiert. Da ergeht sich die Sängerin (Melanie Diener) in den großen Linien der Hochdramatischen, während der Graf (André Morsch) seinen unfruchtbaren Stammbaum mit Ausflügen ins Falsett illustrieren darf. Dass sie auch körpersprachlich individuell wirken, dafür hat die Regisseurin Nicola Hümpel […] gesorgt. [Sie] findet ebenso wie ihre Kostümbildnerin Teresa Vergho feine Formen, soziale Schichten in der Gegenwart zu erzählen.“

„Jeder Sex ist anders“ von Michael Stallknecht
Süddeutsche Zeitung
09.05.2016
Eine „Lesart der Regisseurin Nicola Hümpel, die mit beeindruckenden Perspektivwechseln, Witz, Gefühl und nicht nur nebensächlicher, sondern ästhetisch prägender Videoarbeit die Szene belebt. Von B wie Bendžiūnaitė bis P wie Pavelić ist das alles hochgradig durchdachtes Opernschauspieltheater, musikalisch en detail ausgehört vom Dirigenten Sylvain Cambreling mit dem Stuttgarter Staatsorchester. (...) Großer Abend, beste Stimmung."

Am Sonntagabend im Opernhaus, Schnitzlers Reigen mit Witz und Gefühl" von Mirko Weber
Stuttgarter Zeitung | Stuttgarter Nachrichten - Nachtkritik
25.04.2016
„In der intelligenten Stuttgarter Neuinszenierung von Philippe Boesmans' Reigen, nach Arthur Schnitzler und Luc Bondy, zeigt die Regisseurin Nicola Hümpel, dass sie eine leichte Hand, viel Gefühl und einen scharfen Verstand hat.“

Sylvain Cambreling, damals auch der Uraufführungsdirigent, entlockt dem Stuttgarter Staatsorchester auch jetzt wieder die komischsten und die blühendsten Töne. (…) Wie überhaupt alle Orchestergruppen, vorneweg Schlagzeug, Klavier, Celesta (Jan Croonenbroeck) und die Streicher, immer präsent sind, es mag noch so kleinteilig und rhythmisch vertrackt werden – ein kollektives, kleines Aufmerksamkeitswunder.“

„Unmöglich, hier jemanden aus dem spielfreudigen Ensemble hervorzuheben, und gerechterweise trifft der große Beifall nach zweimal siebzig Minuten Versuchsanordnung alle nahezu gleich.“

„Mit Terzen kann man Menschen fangen“ von Mirko Weber
Stuttgarter Zeitung | Stuttgarter Nachrichten
25.04.2016
„Das Ensemble glänzte darstellerisch, wie auch auf den Großaufnahmen der Gesichter in den Videoprojektionen im Hintergrund zu sehen war. Viele Zuschauer meinten, dass sie selten das Stilmittel Video so kunstvoll und punktgenau eingesetzt gesehen haben wie in dieser Inszenierung."

„Komponist Boesmans bewegt nach Reigen - Premiere an Oper Stuttgart" von Ulf Mauder
dpa
25.04.2016
„Weil die Regie das Thema eher auf die leichte Schulter nimmt, bleibt es ein insgesamt unterhaltsamer Abend. Sex zu sehen gibt es nicht, eher schon Dokumente seines Scheiterns. Und das ist oftmals ziemlich witzig.“

„Per Live-Video sind die Gesichter in Großaufnahmen zu sehen, was in diesem Fall tatsächlich mal gut passt, weil sich die durchweg sehr guten Sänger auch als vorzügliche Schauspieler entpuppen.“

„Schnitzlers Techtelmechtel in Zeiten von Dating Apps“ von Carsten Umlauf
BR-KLASSIK
25.04.2016
„Farbig und edel rollt das Staatsorchester Stuttgart Boesmans lukullische Musik unter der Leitung von Sylvain Cambreling aus, der die Uraufführung 1993 in Brüssel dirigierte. […] Das Konzept [von Regisseurin] Nicola Hümpel ist bedingungslos komödiantisch, aber noch das Albernste ist wohleingerichtet. […] Das Maßgeschneiderte zeigt schon das perfekte Bühnenbild von Oliver Proske. Die knapp am Wahrscheinlichen vorbeigehenden Möbel für die jeweilige Szene kommen auf einer Drehbühne hereingefahren, zwischen Raumteilern mit lustigen Tapeten, zwischen denen Betten, Tische, Menschen mittels exakt ausgesägter Löcher durchpassen.“

„Man töte diese Mücke!“ von Judith von Sternburg
Frankfurter Rundschau
26.04.2016
„Insgesamt ist diese Produktion ein Volltreffer in jeder Beziehung.“

Sylvain Cambreling erweist sich als feinfühliger Anwalt dieser prallen, wirkungsmächtigen, eminent theatertauglichen Klangräume. Lauryna Bendžiūnaitė (Dirne), Daniel Kluge (Soldat), Stine Marie Fischer (Stubenmädchen), Sebastian Kohlhepp (junger Herr) und Kora Pavelić (süßes Mädel) singen und spielen großartig. Besonders beeindruckend sind Rebecca von Lipinski (junge Frau), Shigeo Ishino (Gatte), und Matthias Klink (Dichter). Melanie Diener ist als hysterisch-eitle Sängerin eine Wucht ebenso wie André Morsch als neurotischer Graf. In Nicola Hümpels einfallsreicher Inszenierung begegnet Sigmund Freuds Wien der Cyber-Gegenwart. Kunstvoll konstruierte Engführungen von Szene und Video schaffen vielfache Perspektiven. Personenführung und Mimik sind minutiös einstudiert. Als Pendant zum Reigen der Paarungen dient die Drehbühne mit vorüberfahrenden Zwischenwänden. Auf der Kippe zwischen existenziellem Ernst, grotesker Verfremdung und feiner Komik bleibt alles eng an Boesmans wundervoller Musik.“

„Philippe Boesmans’ Schnitzler-Oper ‚Reigen‘ an der Staatsoper Stuttgart ist ein Volltreffer“ von Werner Müller-Grimmel
Schwäbische Zeitung
26.04.2016
„Der Reigen umjubelt in Stuttgart“

„Das ist ziemlich viel Oper: überragend gespielt vom Staatsorchester unter der Leitung Sylvain Cambrelings. Der war schon der Uraufführungsdirigent, spielte das Werk auch in seiner Zeit als Frankfurter Opernchef und kennt jede Nuance, jede Stimmungslage, jeden Effekt. Eine sehr klangplastische, pointierte Premiere war das. Großer Applaus - auch für den sich verbeugenden, sehr gerührten 79-jährigen Komponisten Boesmans.“

„Bestens aufgelegt agierte das Stuttgarter Ensemble: darunter Rebecca von Lipinski als die junge Frau, Kora Pavelic als herrlich glupschäugig-naives süßes Mädel und Matthias Klink als grotesk triebgesteuerter Dichter. Und Melanie Diener gibt emphatisch die Primadonna.“

„Regisseurin Nicola Hümpel und ihr Team zeigen den Reigen stylish designed und auch ein bisschen trashig aufgepeppt im Handy-Zeitalter. Keine Schocker-Inszenierung, kein Opern-Porno, sondern ein ernstes Lust-Spiel.“

„Potente Oper“ von Jürgen Kanold
Südwest Presse Ulm
26.04.2016
„Das Orchester spielt auf immens hohem Niveau."

Erotischer Reigen: Nico and The Navigators inszenieren Philippe Boesmans Oper" von Jörn Florian Fuchs
Deutschland Radio Berlin, Fazit
24.04.2016
Oliver Proskes Bühnenbild ist ein Ereignis: wie es das oft mit deutlichem Augenzwinkern entworfene, fantastische Mobiliar der einzelnen Szenen durch Aussparungen in der rechten Seitenwand hinaus- und durch Aussparungen in der linken hineinfahren lässt, wie es immer neue, meist steril gekachelte Räume aufblättert, als seien die Wände Buchseiten.“

Reigen an der Oper Stuttgart. Man töte diese Mücke!“ von Susanne Benda
Stuttgarter Zeitung | Stuttgarter Nachrichten
25.04.2016
„…jede Geste, jede Regung, jeder Gesichtszug, der live auch auf einer Großleinwand zu sehen ist, wird von den Sängerdarstellern derart exakt ausgeführt, dass man oftmals denkt, ob das wohl menschenmöglich ist.“

„Hoppla, Sex und Video, das geht auch in höchster Güte“ von Christa Dietrich
Vorarlberger Nachrichten
26.04.2016
„[Alle Sänger] rauschen nicht nur furios spielend, sondern auch ganz herrlich singend ins Paarwendungs-Fiasko. Ihr aller Agieren wirkt umso vergeblicher, als [Regisseurin] Nicola Hümpel ihnen in Filmsequenzen eine gelungene Paarbegegnung wie eine Utopie gegenüberstellt. Hinten sieht man, wie es sein könnte, vorne, wie es ist. Die Different ist Komik, Tragik, Absurdität in eine. Und gerade deshalb so anrührend.“

„Karusell gescheiterter Annäherung“ von Armin Knauer
Reutlinger Generalanzeiger
10.05.2016