„Ein Moment, in dem mir das Herz stehen geblieben ist“

Lena Spohn ist seit diesem Sommer festes Mitglied im Staatsopernchor Stuttgart. Davor war sie ein halbes Jahr lang Chor-Elevin im Rahmen unserer „Akademie 2030“, die eine Brücke zwischen Ausbildung und Berufsleben bildet und
Berufseinsteiger*innen auf und hinter der Bühne bei ihren ersten Schritten an der Staatsoper begleitet. Sebastian Ebling hat Lena nach ihrer Anfangszeit als Elevin, ihrer Arbeit im Opernchor und ihren ganz persönlichen Highlights in ihrem Job gefragt.
Liebe Lena, Du kommst gerade direkt aus der Chorprobe. Woran arbeitet ihr momentan?
Wir bereiten gerade eine ganze Reihe an Wiederaufnahmen vor, mit denen wir in die Saison starten: Vor allem L’elisir d’amore, Carmen und Falstaff stehen jetzt gerade im Fokus. Und natürlich sind wir auch schon in Vorbereitung auf die erste Premiere: Die Frau ohne Schatten in der Regie von David Hermann, wo wir mit dem Damenchor aus dem Chor-Saal singen und live in den Zuschauerraum übertragen werden. Und dann beginnt auch schon langsam die Arbeit an der nächsten Neuproduktion La Fest – da gibt’s viele schöne Barockchöre zu singen.
Das ist eine ganze Menge Stoff! Wie viel Vorbereitungszeit habt ihr in der Regel für die jeweiligen Produktionen?
Ich habe festgestellt, dass es mit Wiederaufnahmen schon ganz schön zügig geht. Also wenn man neu in den Chor kommt, dann muss man die ersten ein, zwei Jahre schon ganz schön ackern, weil man das ganze Repertoire nachlernen muss (lacht). Und jetzt stehen so einige große Choropern an! Aber erfahrungsgemäß gibt es für die Neuproduktionen schon ausreichend Zeit, so dass sich da auch musikalisch genau arbeiten lässt.
Du bist seit Sommer festes Mitglied des Staatsopernchores. Begonnen hast Du Anfang des Jahres als Chor-Elevin. Was ist überhaupt eine Elevin?
Also der Begriff „Elevin“ ist ja eigentlich aus dem Ballett entlehnt, da ist das ein gängiges Modell. Die Entsprechung im Orchester wäre wohl eine Akademiestelle. Bei uns im Staatsopernchor ist man quasi ein zusätzliches Mitglied und arbeitet zu 50% im Chor mit. Es handelt sich also nicht um eine Planstelle, die ausgefüllt oder ersetzt werden muss. Das ist super zum Reinkommen, weil man nicht alles auf einmal nachlernen muss. Man braucht ja am Anfang einfach etwas länger, um das Repertoire musikalisch, aber auch szenisch kennenzulernen. Und es ist ein tolles Modell, um neue Chorsänger*innen zu begeistern. Nach meiner Erfahrung wissen die wenigsten Absolvent*innen direkt nach dem Studium, dass Sie in einen Opernchor wollen. Die Elevenstellen bieten die Möglichkeit den Beruf kennenzulernen und zu schauen, ob einem das liegt.
In L’elisir d’amore fliegen alle auf Nemorino (Charles Sy, mitte) – insbesondere, nachdem dieser reicher Erbe geworden ist! – Foto: Martin Sigmund
Du bist in Stuttgart geboren und aufgewachsen. Welchen Bezug zur Staatsoper hattest Du vor Deinem Engagement im Staatsopernchor?
Die erste Opernvorstellung meines Lebens war Alcina in der Regie von Jossi Wieler und Sergio Morabito. Damals habe ich mich vollkommen in diese Oper, diese Inszenierung und dieses Haus verliebt und zu meiner Mutter gesagt, dass ich Opernsängerin werden wolle. Ich war dann auch einige Jahre Mitglied im Kinderchor. Lustigerweise begann mein Einstieg als Elevin hier in Stuttgart mit Willy Deckers Inszenierung von Tosca – die gleiche Produktion, mit der ich damals im Kinderchor aufgehört habe. Ich weiß noch, wie ich als Kind da den Chor bewundert habe. Ich dachte, wie toll die aussehen und wie toll sie singen, und plötzlich steht man da zwanzig Jahre später auf der anderen Seite und sieht die Kinder auf die Bühne kommen. Das war wirklich ein Moment, in dem mir kurz das Herz stehen geblieben ist.
Du hast Schulmusik studiert, allerdings zunächst mit dem Hauptfach Violine. Wie kam es zu der Entscheidung doch hauptberuflich Sängerin zu werden?
Zu meinem Studium gehörte auch relativ viel Gesangsunterricht. Nachdem ich zwischendurch das Singen ein bisschen aus den Augen verloren hatte, habe ich an der Hochschule gemerkt, dass es das Fach ist, auf das ich immer Lust habe und das mir ausnahmslos immer Spaß macht. Ich war kein einziges Mal davon genervt, in den Unterricht zu müssen – im Gegensatz z.B. zu meinem Philosophie-Studium (lacht). Dann wusste ich irgendwann: Das ist, was ich machen will, das macht mich glücklich!
Was macht speziell die Arbeit in einem Opernchor für Dich so reizvoll? Wo sind die Besonderheiten und vielleicht auch Herausforderungen gegenüber einem Konzertchor?
Für mich ist es die Verbindung von Schauspiel und Gesang. Das ist das, was für mich das Singen ausmacht. In einem Rundfunkchor z.B. hat man einen ganz anderen Ansatz: Das ist für mich eine eher intellektuelle Art des Singens, die natürlich auch ihren Reiz hat. Für mich war das aber eben nie die Frage, ob ich auch auf der Bühne spielen will. Das hängt für mich ganz eng zusammen. Auch eine psychologische Komponente in einer Rolle zu erkunden und sich verwandeln zu können, finde ich total aufregend. Und alles was dazu gehört: In die Maske zu gehen, Kostüme zu tragen, sich auf der Bühne zu bewegen. Spannend ist auch, dass man an der Oper ein unglaublich vielfältiges Repertoire singt: An einem Tag Wagner, am nächsten Verdi, dann kommt eine Mozart-Oper. Da wird einem nie langweilig!
Eine unwirkliche Szene in Verdis Falstaff – mit dem Damenchor als geheimnisvolle Waldwesen. – Foto: Martin Sigmund
Was war in der vergangenen Saison Dein persönliches Highlight an der Staatsoper?
Auf jeden Fall Saint François d'Assise. Das war meine erste richtige Premiere hier am Haus. Ich fand es absolut überwältigend. Diese Chorpartie, diese Wucht, dieser Klang hat mich jedes Mal tief ergriffen. Dabei mittendrin in diesem Stuttgarter Staatsopernchor zu stehen, dieser Naturgewalt, das ist unglaublich. Und dann dieser herausragende Cast, speziell Michael Mayes als Franziskus. Das hat man selten. Natürlich war es auch eine enorme Herausforderung: So viele Teilungen in den Stimmen, wenige Kolleginnen, auf die man hören kann – das muss man sich erobern. Wenn man es dann aber gefunden hat, dann ist das speziell bei Neuer Musik besonders befriedigend.
Und worauf freust Du Dich in der aktuellen Saison besonders?
Ich freue mich persönlich ganz besonders auf die Neuproduktion von Il trovatore, einfach weil ich Verdi sehr liebe. Ach ja, und auf Nixon in China. Das ist wirklich eine Ausnahmeproduktion, da sind sich alle im Chor einig: Musik, Inszenierung, Besetzung – alles erstklassig. Übrigens auch wieder mit Michael Mayes!
Noch eine Frage zum Abschluss: Was ist Dein Lieblingschorstück?
Also, ich war mal als Gastsängerin bei Nabucco hier in Stuttgart dabei. Das muss so 2012/2013 gewesen sein. Das liebe ich sehr, da hat man als Chorsängerin viel zu singen. Und dann kommt in der Oper natürlich auch dieser umwerfende Gefangenenchor vor, mit seinem umfangreichen Farbenspektrum. Das ist wirklich ein Erlebnis. Ich finde, das wird in Stuttgart besonders schön performt, vor allem das Piano!